Sessionsbericht Frühlingssession 2014

Die Abstimmung zur Masseneinwanderung vom 9. Februar und ihre Folgen für die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU beherrschten die Tagesgeschäfte an der Nationalratssession. An den ersten zwei Sitzungstagen nahm ich an 4 verschiedenen parteiinternen Diskussionen teil (z.B. an der Fachkommission Aussenpolitik – es gibt FK’s zu vielen Themen, diese stehen allen SP-Mitgliedern offen, sie tagen immer in Bern während der Session). Durch die Eingabe von dringlichen Interpellationen aus verschiedenen Fraktionen fand am letzten Donnerstag eine kurze Debatte über das Verhältnis zur EU statt. Der Bundesrat legte dar, wie der Fahrplan aussieht: Bis Ende Juni soll das Vorgehen bestimmt sein, bis Ende 2014 ein Gesetzesentwurf zur Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung vorliegen. Die SP reichte zusätzlich ein Vorstosspaket mit 2 Motionen, 2 Postulaten und 13 Interpellationen zum Thema ein. In einem unserer Postulate fordern wir den Bundesrat auf, alle europapolitischen Optionen in der Beziehung mit der EU unter Berücksichtigung der neuen Ausgangslage ergebnisoffen darzulegen. Dazu gehört auch ein EU-Beitritt. Es braucht jetzt eine Auslegeordnung der Möglichkeiten, damit die Bevölkerung klar entscheiden kann, was sie will. In einer Motion verlangen wir deshalb, dass, sollten die Bilateralen gekündigt werden und ein neues Projekt verfolgt werden, die Bevölkerung erneut dazu befragt werden muss.

Ich habe das Gesetz unterstützt, weil wir seit Jahren gegen die Hochpreise in der Schweiz kämpfen. Die hohen Preise in der Schweiz für Importprodukte sind nicht mit dem höheren Preis- und Lohnniveau zu rechtfertigen, sondern Zwischenhändler und Vertreter von Markenartikeln schöpfen da Milliarden von Franken ab. Aber eine Mehrheit von SVP, BDP und CVP und Teilen der FDP und der Grünen sowie 6 SPlern wollten gar nicht erst auf das Gesetz eintreten. Damit fand keine Diskussion darüber statt, wie die wettbewerbswidrigen Kartellabsprachen besser bekämpft werden können. Das Geschäft geht nun wieder an den Ständerat. Tritt der auch nicht ein, so ist die Vorlage erledigt.
In der Schweiz besteht das Grundrecht, dass jeder mit der SBB transportiert wird. Mit dem Hooligangesetz, welches vorsieht, dass Fans gezwungen werden können, in Spezialzügen zu fahren, wird dies in Frage gestellt. Meiner Ansicht nach ist das der falsche Ansatz, um das Problem zu lösen. Es gibt andere Ansätze wie die Zusammenarbeit der Sportclubs, ihren Fanclubs, der Polizei und der SBB. Die Mehrheit des Nationalrats ist mit Unterstützung einiger SPler zwar auf die Vorlage eingetreten, danach wurde sie aber ohne Detaildiskussion an den Bundesrat zurückgewiesen, um eben diese Diskussion weiterzuführen. Die Mehrheit zeigt damit, dass es noch Klärung für die Umsetzung braucht, beispielsweise, wer muss mit Fanzug reisen oder wer haftet wirklich, wenn etwas passiert?
Gebühren für alle: Ich war gespalten bei diesem Gesetz. Es gefällt mir nicht, dass nun jeder Haushalt und jedes Unternehmen verpflichtet wird, die Radio- und TV-Gebühren zu bezahlen. Es ist eine Art Kopfprämie. Ich musste aber eingestehen, dass es heute wohl keinen Haushalt mehr gibt, in dem nicht ein Empfangsgerät (die Smartphones gehören auch dazu) vorhanden ist. Mit den Gebühren wird der Service Public der SRF, in allen Landessprachen Programme anzubieten, erhalten. Das ist mir wichtig, damit wir nicht nur von Privatsendern abhängig sind. Immerhin sinken die Gebühren für die meisten von heute 462.- auf 400.- Fr. jährlich und es gibt eine Übergangsfrist von 5 Jahren, in der sich Haushalt ohne Geräte abmelden können, auch Kleinunternehmen sind von der Gebühr ausgenommen.
Die Stipendieninitiative des VSS fordert gleiche Bildungschancen für alle, indem die Verantwortung für die Stipendien dem Bund übertragen wird und die Mittel für Stipendien insgesamt erhöht werden. Heute bestehen massive Differenzen zwischen den Kantonen, die nicht begründbar sind. Auch der Kanton St. Gallen dümpelt mit seinen Stipendienausgaben im hintersten Viertel. Das Stipendienkonkordat er Kantone wird daran wenig ändern, denn St. Gallen will nicht mehr ausgeben als heute, sondern nur neu verteilen. Die SP und die Grünen haben die Initiative geschlossen unterstützt, alle anderen Ratsmitglieder lehnten sie ab (bei einigen wenigen Enthaltungen).
Dieses Gesetz ist der Gegenentwurf zur Stipendieninitiative. Es verlangt, dass der Bund seine Beiträge in der Tertiärstufe erhöht und dehnt den Unterstützungskreis auf Studierende der Höheren Fachschulen und Teilnehmende der Vorbereitungskurse für eidgenössische Berufs- und höhere Fachprüfungen aus. Diese Ausdehnung wurde vom Nationalrat eingebracht, 78% stimmten zu, die Nein-Stimmen kamen alle aus der SVP, obwohl damit die Leute mit einer Berufslehre begünstigt werden.
Erstmals gibt es nun gesetzliche Leitplanken für die Weiterbildung, was sehr zubegrüssen ist. Leider strich der Nationalrat mit 50.8% Zustimmung die Bestimmung heraus, die die Arbeitgeber stärker in die Pflicht genommen hätte. SP und Grüne stimmten als einzige geschlossen dafür, SVP und Grünliberale als einzige geschlossen dagegen, die anderen sehr heterogen. Das Gesetz geht zurück an den Ständerat, wo dieser Entscheid vielleicht wieder korrigiert wird.
Krankenkassenprämienerhöhungen sind jeden Herbst das Dauerthema: soll man wechseln oder doch lieber nicht? Die Krankenkassen müssen alle die gleichen Leistungen anbieten. Haben sie mehr „gute“ Risiken, sinken die Prämien, kommen dann „schlechte Risiken“ zu ihnen, steigen sie wieder. Der vielbeschworene Wettbewerb ist nur ein Pseudowettbewerb. Für die Krankenkassen aber bedeutet es, dass sie statt auf Prävention und gute Betreuung chronisch Kranker besser auf die Jagd nach „guten“ Risiken machen. Über 300 Mio. Fr. gehen so jährlich für Werbung und Verwaltungskosten verloren. Eine öffentliche Krankenkasse für die Grundversicherung würde dieses Treiben beheben. In den bürgerlichen Reihen gibt es eine stattliche Anzahl VerwaltungsrätInnen von Krankenversicherern. Die KrankenkassenlobbyistInnen traten auch ans Rednerpult und bekämpften die Initiative – ihr Verwaltungsratshonorar steht ja auf dem Spiel. Erwartungsgemäss lehnte der Rat die Initiative mit 124 zu 61 Stimmen ab, nur die SP und die Grünen unterstützten sie – und die beiden Lega und 1 CVPler aus Genf. In der Volksabstimmung wird das Verhältnis sicher anders sein.
Die SVP hatte nach der 2010 angenommenen Ausschaffungsinitiative noch eine Durchsetzungsinitiative nachgereicht. Der Bundesrat legte nun eine Änderung des Strafgesetzbuches zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative vor. Die nationalrätliche Kommission baute aber das Gesetz mit einem Deliktkatalog aus, der einfach aus der neuen SVP Durchsetzungsinitiative übernommen wurde. Die Durchsetzungsinitiative wird somit umgesetzt, bevor sie dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wurde. Das nun vorliegende Gesetz verletzt die Grundrechte der Verhältnismässigkeit beträchtlich. Einbruch und Völkermord stehen auf einer Ebene. Wirtschafts- und Vermögensdelikte fehlen, während Betrug in der Sozialhilfe natürlich aufgeführt ist. Eine individuelle Beurteilung der Fälle gibt es nicht, die Delikte führen direkt zur Ausschaffung. Das ist absurd und hat mit Gesetzgebung in einem liberalen Staat nichts mehr zu tun. Keiner der Gegenanträge von unserer Seite hatte Erfolg. SVP, FDP und BDP sowie der grösste Teile der CVP stimmten in der Schlussabstimmung mit 106:65 und 11 Enthaltungen diesem katastrophalen Gesetz zu. Ein Rechtsstaat sieht anders aus. Die Rolle der Mitteparteien, insbesondere die der christlichen Partei, war absolut bedenklich. Die Durchsetzungsinitiative wurde dann immerhin mit 72% abgelehnt. Ein Teil musste gar noch für ungültig erklärt werden, weil die SVP in einem Artikel kurzerhand frei definierte, was zwingendes Völkerrecht bedeutet.
Weil der Export im Waffengeschäft im letzten Jahr um 34% zurückgegangen ist, hat der Nationalrat mit knapper Mehrheit beschlossen, dem Gejammer der Rüstungsindustrie nachzugeben und die Verordnung zu ändern. Seit wann ist der Nationalrat zuständig für Verordnungen? – das ist Bundesratskompetenz, dieser wollte diese Schmutzarbeit aber nicht machen. Mit Stichentscheid des Ratspräsidenten aus der CVP ging der Entscheid mit 93:92 durch. Die Mehrheit der Christenpartei setzte den Profit der Waffenhersteller höher als die Gefahr, die von Waffen ausgeht, die an undemokratischen Staaten wie Saudi-Arabien oder Pakistan geliefert werden. SP, Grüne und Grünliberale bekämpften die Motion, die Mitteparteien BDP und CVP waren gespalten, SVP und FDP fast geschlossen dafür. Jetzt kann man wieder nur auf den Ständerat hoffen!In die gleiche Richtung ging der Entscheid zur Registrierung älterer Waffen, was mit 98:76 abgelehnt wurde. Wieder gaben einige CVPler den Ausschlag. Die kantonalen Polizeidirektoren haben sich klar für diese Regelung eingesetzt, umsonst. Und wieder: Hoffnung auf den Ständerat!

Der Ständerat hatte die Motion zur Abschaffung der Stempelsteuer abgelehnt. Der Nationalrat unter Führung der FDP und der SVP nahm sie aber an. Mitgeholfen haben BDP und GLP und ein Teil der CVP. Das heisst, ohne Not wird nun die Stempelsteuer abgeschafft. Mindereinnahmen, die jetzt jemand anderes übernehmen muss. Nochmals um Umverteilung ging es bei der Säule 3A. Der Nationalrat erhöhte den Maximalbetrag für steuerfreie Einzahlungen auf 12‘000.- bzw. 40‘000.- für Selbständige. Das bringt 240 Mio. Steuerausfälle auf Bundesebene, begünstigt werden diejenigen, die es sich leisten können. 51% stimmten dafür, die geschlossene SVP, FDP und BDP und ein Teil der CVP.
Das Bundesgesetz, das auf einen Vorstoss von Paul Rechsteiner zurückgeht, ist nun beschlossen. Es ist eine Entschuldigung gegenüber den Menschen, denen viel moralisches und materielles Leid zugefügt worden ist. Die finanzielle Entschädigung der Betroffenen wurde zwar ausgeklammert, immerhin wird für betroffene Härtefälle ein Soforthilfefonds eingerichtet, an dem sich auch die Kantone beteiligen. Bei der Schlussabstimmung stellte sich nur die grosse Mehrheit der SVP dagegen.
Auch im Umweltbereich wurden Entscheide getroffen. So passierte die Änderung des Gewässerschutzgesetzes, welches verlangt, dass nun in grossen Kläranlagen die Mikroverunreinigungen herausgenommen werden und dafür Bundessubventionen bereitgestellt werden, den Rat komfortabel. Einzig die SVPler stimmten dagegen oder enthielten sich der Stimme. Die Umsetzung des Nagoya- Abkommens im Natur- und Heimatschutzgesetz, welches sich um genetische Ressourcen, ihre Nutzung und die gerechte Verteilung des Gewinns kümmert, wurde von den bürgerlichen Interessenvertretern aus Pharma und Saatguthersteller aufgeweicht. Der Ständerat korrigierte noch einen Teil, dann ging die Gesetzesänderung mit 59% der Stimmen durch, dagegen waren wie immer SVP und eine Mehrheit der FDP.

 
Es gäbe noch viele Entscheide zu erwähnen, aber für diese Session lasse ich so bewenden. Überrascht bin ich darüber, wie häufig der Ständerat krasse Fehlentscheide des Nationalrats noch gerade biegen muss. Vom 5.-8. Mai ist bereits die nächste Sondersession und im Juni findet wieder die reguläre 3-wöchige Session statt. Dann gibt es den nächsten Bericht.

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed