Blochers Griff nach den Medien

Christoph Blocher strebt nach mehr Medienmacht. Im Visier hat er die Regionalmedien. Beinahe wäre ihm ein Coup geglückt.

In einem neuen Vorstoss im St.Galler Kantonsrat weint die SVP Krokodilstränen. Sie macht sich Sorgen um die Unabhängigkeit des «St.Galler Tagblatts» und beklagt gleichzeitig das Monopol der NZZ, zu der das Tagblatt gehört. Die St.Galler Regierung solle bei der NZZ vorstellig werden und die Bedenken der Ostschweiz darlegen. Das ist Heuchelei. Der Vorstoss ist nichts als eine Retourkutsche dafür, dass das Tagblatt ihren Regierungsratskandidaten Herbert Huser durch eine Recherche «abgeschossen» hat. Der SVP geht es auch nicht um die Medienvielfalt. Sie will nur das freisinnige Monopol durch ein SVP-Monopol ersetzen. Wie aber stehen die Chancen dazu?

Der Fast-Coup

Im Dezember 2014 wäre Blocher beinahe ein Coup gelungen. Einer mit fatalen Folgen. NZZ-Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod wollte Blocher–Intimus Markus Somm, derzeit Chef der «Basler Zeitung», als Chefredaktor der NZZ installieren. Die Folge war ein Aufschrei der düpierten freisinnigen Redaktion. Die SVP hätte so beinahe das Flaggschiff des Freisinns gekapert. Die grösste symbolische Niederlage der FDP drohte. Jornod, ein unpolitischer Manager, musste angesichts des Drucks aus den eigenen Reihen klein beigeben. Somm blieb in Basel, und ein Interner, Auslandchef Eric Gujer, stieg zum Chefredaktor auf.

Somm als NZZ-Chefredaktor wäre schlimm gewesen. Noch viel schlimmer aber wäre gewesen, wenn Jornod wie vorgesehen die NZZ-Regionalmedien verkauft hätte. Das heisst, das «St.Galler Tagblatt» und die «Neue Luzerner Zeitung». Die beiden decken die Zentral- und Ostschweiz ab, also zwei grosse Gebiete, die politisch schon stark SVP-dominiert sind. Blocher wäre bei einer Kaufmöglichkeit sicherlich sofort zur Stelle gewesen. Womöglich waren die Fühler bereits ausgestreckt. Dann wäre ein ähnlicher Prozess wie in Basel abgelaufen: Blocher hätte, eventuell unter Verschleierung  der wahren Verhältnisse, die beiden Betriebe gelauft, dann die Druckereien eliminiert, einen Statthalter wie Somm in Basel eingesetzt und eine linientreue Redaktion installiert. Er hätte auf einen Schlag grosse Gebiete der Schweiz medienmässig unter seine Kontrolle gebracht. Eine Horrorvision.

Sie ist gescheitert. Wenigstens vorderhand. Jornod und seine rechte Hand, der österreichische Medienmanager Veit Dengler, konnten nicht mehr verkaufen, als sie merkten, dass die NZZ eben kein Verlag wie jeder andere ist, sondern eine Institution des Freisinns. Die beiden Manager mussten politisches Lehrgeld zahlen. Inzwischen sind sie wieder zum Tagesgeschäft übergegangen. Und das heisst: Kosten sparen. Auf Geheiss aus Zürich müssen St.Gallen und Luzern redaktionell zusammenarbeiten. Am 6. März hatten die beiden Sonntagszeitungen erstmals dieselbe Schlagzeile («Kantone basteln an einer eigenen Ventilklausel»).

Die Kooperation fordert aber personelle Opfer. Vor allem in St.Gallen. Tagblatt-CEO Daniel Ehrat musste schon im Oktober 2014 gehen. Jetzt springt auch Chefredaktor Philipp Landmark über die Klinge, nachdem ihm Zürich einen neuen «Leiter Regionalmedien» für die Zental- und Ostschweiz vor die Nase gesetzt hat. Wie dieser Mann, der Journalist Pascal Hollenstein von der «NZZ am Sonntag», funktionieren soll, wissen die Götter. Muss er pro Woche zwei Tage in Zürich arbeiten, zwei in Luzern und zwei in St.Gallen? Und wie löst er das Hauptproblem, die defizitäre «Ostschweiz am Sonntag»? Eine Herkulesaufgabe.

Ein Mini-Berlusconi

Milliardär Blocher wäre mit einem Regionalzeitungs-Deal seinem Ziel, der politischen Beherrschung der ganzen Schweiz, ein schönes Stück näher gekommen. In Sachen Medien hat er bis jetzt gezielt und strategisch gehandelt, ein helvetischer Mini-Berlusconi. Erst riss er sich 2005 die einst linksliberale «Weltwoche» unter den Nagel. Das tat er zusammen mit Millionärskollege Tito Tettamanti. Die beiden installierten den ebenfalls einst linksliberalen, aber nach rechts abgedrifteten Journalisten Roger Köppel aus dem Hause Tamedia als neuen Chef des Wochenblatts. Wenig später wurde Köppel sogar Verleger, obwohl er gar kein Geld hatte. Blocher/Tettamanti haben ihm dazu verholfen. Auf undurchsichtige Weise, alle drei schweigen über den genauen Hergang. Und alle wissen, warum. Dass Köppel seither auf SVP-Linie schreibt, darf angesichts seiner neuen Dienstherren nicht verwundern. Auch Köppels Nationalratsmandat kann als politische Dividende gesehen werden, die er ohne den mächtigen Mentor aus Herrliberg nie hätte einstreichen können.

Dann kam Ende 2011 die «Basler Zeitung» (BaZ) mit Somm an die Reihe. Nach der Übernahme der Zeitung durch Tettamanti und anschliessend durch Blocher-Tochter Rahel belog Blocher die Öffentlichkeit über die wahren Eigentumsverhältnisse. Unter Somm, der wie Köppel jetzt auch Verleger ist, rückte das einstige Hausblatt des liberalen Basler Bürgertums schwer nach rechts. Der Rechtsdrall ist von ständigen Attacken gegen SP, Gewerkschaften und alles Linke begleitet. Als kolumnistische Feigenblätter dienen SP-Grössen (Helmut Hubacher, Roland Stark) sowie die linke Politologin Regula Stämpfli. Auch Roger Köppel hält sich in seiner «Weltwoche» solche SP-Stimmen, etwa Peter Bodenmann. Sogar SP-Jungstar Cédric Wermuth liess sich zum Mitmachen überreden. Bis er merkte, dass er für das falsche Publikum schreibt.

Faktisch sind die «Weltwoche» und die «Basler Zeitung» zu Brutstätten des rechtsnationalen Kampfjournalismus mutiert. Sie funktionieren wie ehedem das Moskauer Politbüro: Wer nicht auf Linie ist, fliegt raus oder geht selber. Wie Bruno Ziauddin. Der ex-«Weltwoche»-Journalist hat sein Köppel-Trauma in Romanform verarbeitet. Sein kürzlich erschienenes Buch «Bad News» (Verlag Nagel und Kimche) reflektiert diese Zeit, verpackt in einen Politthriller. Die Story ist zwar reichlich grell geschminkt, aber lesenswert, weil sie tiefe Einblicke in die Skrupellosigkeit von gewissen missionarisch getriebenen Medienmachern vermittelt.

Blochers Versuche, das traditionell freisinnige Schweizer Verlegerbollwerk zu schleifen, waren bisher nicht von Erfolg gekrönt. Daher versucht er, dem Mediensystem Klone aus seinem Umfeld einzupflanzen. Diese sind der SVP-Ideologie verpflichtet, tragen aber nicht die Parteifahne vor sich her und erwecken so den Anschein ideeller Eigenständigkeit. Zu dieser SVP-Gilde gehören Konrad Hummler und Oswald Grübel mit ihren Kolumnen in der «Sonntagszeitung», Tito Tettamanti in der Schweizer Ausgabe der deutschen «Zeit» oder auch Valentin Landmann in der «Ostschweiz am Sonntag». Auch Kurt W. Zimmermann, der jetzt die Leitung des Fachblatts «Der Journalist» übernommen hat, zählt dazu.

Dieses Meinungsnetzwerk ist zentral gesteuert. Es lanciert gezielt SVP-Themen, wie etwa die Aufhebung des Euro-Mindestkurses, von dem die Spekulanten aller Couleurs profitieren. Oder es reagiert umgehend auf Angriffe gegen die Partei. So machte Tettamanti (bzw. sein Ghostwriter) in seiner Kolumne Anfang März den abtrünnigen Autor Ziauddin als «arroganten Linken» schlecht. Und verbreitete einmal mehr die altbekannte SVP-Mär, die Schweizer Medien seien links unterwandert, weshalb es dringend ein Oppositionsblatt wie die «Weltwoche» brauche.

Obwohl Blochers medialer Einfluss überall spürbar ist, ist er noch lange nicht am Ziel seiner Träume. Er muss eigene Blätter in den wichtigen Regionen haben, um die Köpfe der Massen rechtsnational und politisch wirksam zu formatieren. Seine Angriffe auf die grösste aller Medienbastionen, das Schweizer Radio und Fernsehen, blieben bisher erfolglos. Zu stark ist der Gedanke des Service public und der Orientierung am Gemeinwohl in der helvetischen Kultur verankert. Die Stärkung und Revitalisierung dieses echt schweizerischen Traditionsbestands scheint das beste Mittel, um dem Vormarsch des neoliberalen Blocherismus Einhalt zu gebieten. (rh)

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