Altersreform 2020 und Referendum USR III

Was haben die Vorlagen zur Altersvorsorge 2020 und die Abstimmung zum Referendum gegen die USR III gemeinsam? Der Stand des Prozesses und die Inhalte der beiden Vorlagen sind nicht vergleichbar. Das Abstimmungsergebnis zum Referendum gegen die USR III liegt vor und fiel eindeutig zu unseren Gunsten aus. Die Vorlage zur Altersvorsorge 2020 liegt zurzeit in der Schlussphase im nationalen Parlament, und der Ausgang ist noch offen. Es ist der Meinungsbildungsprozess in der Bevölkerung zu den beiden Vorlagen, der auffällige Parallelen aufweist.

Wo liegen die Gemeinsamkeiten beim Meinungsbildungsprozess?

Komplexität
Beide Vorlagen sind sehr komplex und setzen fundierte Kenntnisse sowie eine vertiefte Auseinandersetzung voraus. Bei der Argumentation der Befürworter/innen und Gegner/innen können vielfach nur die wichtigsten Teilaspekte dargelegt werden. Das führt zur Verunsicherung bei der Meinungsbildung.

Kosten
Bei beiden Vorlagen wird mit Milliardenbeträgen und Katastrophenszenarien in der Wirtschaft oder den Staatskassen argumentiert.

Unvorhersehbare Einflüsse
Im Laufe der Meinungsbildungsprozesse beeinflussten unvorhersehbare Stellungnahmen, Ereignisse oder neue Grundlageninformationen die Meinungsbildung der Bevölkerung.
USR III:

  • Die kritische Einschätzung der Vorlage durch alt Bundesrätin Evelyne Widmer-Schlumpf liess die Bevölkerung aufhorchen. Denn ihre Meinung und Fachkompetenz geniesst nach wie vor grosses Vertrauen
  • In der Endphase des Abstimmungskampfes stellte die Finanzaufsicht ihre Ergebnisse der Überprüfung bundesrätlicher Berechnungen zu den finanziellen Auswirkungen von Abstimmungsvorlagen vor. Diese lagen oft weit bis sehr weit unter den effektiven Folgekosten. Dies stellte die Glaubwürdigkeit der Angaben in den Abstimmungsunterlagen oder bei Diskussionen in Frage und gab für viele Unentschiedene den Ausschlag, ein NEIN in die Urne zu werfen.

Altersvorsorge 2020:

  • Nicht zuletzt durch den weltweiten Einfluss der am 21. Januar 2017 erstmals aufgetretenen Bewegung „Women’s March to Washington“ und ihre Folgeaktionen, wurden der Feminismus und die Genderfragen wieder offensiver in den Mittelpunkt der Frauenpolitik gestellt. Der Widerstand gegen die Erhöhung des Rentenalters der Frauen kam anfänglich von einem Teil der Gewerkschafterinnen und Frauenorganisationen. Heute sind bedeutend mehr Frauen unschlüssig, ob der Preis, den die Frauen für die Verbesserung der Altersvorsorge für die Männer und Frauen bezahlen, nicht zu hoch ist.
  • Die im März 2017 veröffentliche Lohnstrukturerhebung des Bundes zeigt einmal mehr auf, dass sich bei der Lohngleichheit sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Sektor seit Jahrzehnten kaum etwas bewegt. Für die Frauen ist es einfach frustrierend, jährlich wieder mit diesem Stillstand konfrontiert zu werden. Ein leicht besseres Bild zeigt der Report zum Frauenanteil in Führungspositionen oder Verwaltungsräten. Die Schweiz liegt in diesen Fragen im OECD-Umfeld in den hinteren Rängen.

 

Die zwiespältige Grundstimmung der Frauen, die mit überzeugter Vernunft die Ständeratslösung, sollte sie im Parlament durchkommen, gutheissen und ein allfälliges Referendum nicht unterstützen werden, muss über die Altersreform 2020 hinaus ernst genommen werden.

Für ein Ja zur Altersreform 2020 sprechen insbesondere:
– Erstmals seit 20 Jahren wieder eine Rentenverbesserung
– Erstmals seit 40 Jahren wieder eine moderate Renten-Erhöhung

– Das Rentenniveau bei tiefen Einkommen, vor allem bei Frauen, wird angehoben

– Variabler Koordinationsabzug; die Teilzeitarbeit wird in der 2. Säule besser abgedeckt

– Gesetzlicher Schutz für Versicherte, die älter als 50 sind

– Pensionskassen werden verpflichtet, Versicherte, die ab 58 Jahren die Stelle verlieren, bis zum Rentenalter weiter zu versichern

Auch mit der Rentenreform hapert es für die Frauen an allen Ecken und Enden (strukturell, gesellschaftlich und bei der Mitverantwortung der Männer), wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Belastung durch Care-Arbeit usw. geht. Nach wie vor tragen sie die Mehrbelastungen, und sie sind zusätzlich dem Risiko ausgesetzt, im Alter mit einer ungenügenden Rente dazustehen.

Vor dem unsicheren Hintergrund, was bei einem Scheitern der Altersreform 2020 folgt, steht für mich, unter der Voraussetzung der Ständeratslösung, das Referendum nicht zur Diskussion.

Margrit Blaser, Präsidentin SP Frauen Kanton St. Gallen

 

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