100’000 Menschen sind im Kanton St.Gallen von Armut betroffen oder armutsgefährdet. Die SP-Grüne-Fraktion fordert die Regierung auf, Armut stärker zu bekämpfen und regelmässig über die Massnahmen zu berichten. Von SP-Kantonsrat Dario Sulzer, Wil
Der Bundesrat hat im April entschieden, dass er das «Nationale Programm zur Prävention und Bekämpfung von Armut» weiterführen will. Denn trotz der zahlreichen Bemühungen von Bund, Kantonen, Gemeinden, Sozialpartnern und Nicht-Regierungsorganisationen waren auch im Jahr 2016 in der Schweiz mehr als 600’000 Menschen oder 7.5 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung von Armut betroffen. Darunter mehr als 100’000 Kinder und Jugendliche. Weitere 15 Prozent der Bevölkerung sind armutsgefährdet. Es ist also absolut notwendig, dass die Bemühungen für wirksame Massnahmen der verschiedenen Akteure weitergeführt werden, auch wenn künftig leider weniger Ressourcen zu Verfügung gestellt werden sollen.
Viele Betroffene im Kanton
Auch im Kanton St.Gallen ist der Handlungsbedarf dringend. Massnahmen zur Reduktion von Armut sind absolut notwendig. Eine von der Regierung in Auftrag gegebene Studie von Ecoplan aus dem Jahr 2012 zeigt, dass im Kanton St.Gallen 6’100 Haushalte mit 13’500 Kindern unmittelbar von Armut betroffen sind. Das sind rund neun Prozent aller Familienhaushalte im Kanton. Rechnet man die Zahlen des Bundesamtes für Statistik auf den Kanton St.Gallen herunter, sind bei uns 100’000 Menschen von Armut betroffen oder armutsgefährdet.
Wie aus den Meldungen von Caritas hervorgeht, ist der Umsatz in den Caritas-Märkten Wil und St. Gallen, wo rund 5’000 Menschen am Existenzminimum vergünstigte Lebensmittel und Kleider beziehen können, in den letzten drei Jahren erheblich gestiegen. Armut und Armutsgefährdung haben im Kanton St. Gallen zugenommen. Dies lässt sich auch aus der kirchlichen Sozial- und Schuldenberatung in den drei Regionen St. Gallen, Sargans und Uznach entnehmen. Auch die Gruppe der Working Poor wächst – also jener Personen, die trotz Berufstätigkeit ihren Lebensunterhalt nicht mehr ohne Hilfe bestreiten können.
Angesichts dieser Entwicklung ist es angezeigt, die Bekämpfung der Armut im Kanton St.Gallen zu verstärken. Das bedeutet u.a. mehr Einsatz für die Chancengleichheit für benachteiligte Menschen, soziale und berufliche Integration sowie die Verbesserung der Lebensbedingungen von Familien und anderen Betroffenen. Um den verfassungsmässigen Auftrag der Armutsbekämpfung besser und gezielter erfüllen zu können, fordert die SP-Grüne-Fraktion im Kantonsrat die Regierung auf, einen Armutsbericht zu erarbeiten. Er soll entsprechende Strategien zur Armutsbekämpfung aufzeigen. Einige Kantone veröffentlichen bereits solche Sozial- oder Armutsberichte.
Über Armut sprechen!
Armut ist immer noch ein Tabuthema. Durch die Öffentlichmachung des Themas und die Erstellung eines Berichts soll Armut enttabuisiert und als gesellschaftliches Problem definiert werden. Die politisch Verantwortlichen wie auch breite Bevölkerungsschichten werden für die Situation der Betroffenen sensibilisiert und über das Leben in Armut informiert. Armutsberichte zielen auch darauf ab, alle relevanten öffentlichen, gemeinnützigen und wirtschaftlichen Akteure an einen Tisch zu bringen. Sie sollen in die Aktionen eingebunden werden. Dabei sind die Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen einerseits und öffentlichen und privaten Akteuren andererseits zu klären.
Die SP-Grüne-Fraktion fordert, dass für den Kanton St.Gallen einmal pro Legislatur ein Bericht zum Ausmass der Armut und zu den Massnahmen zur Armutsbekämpfung erstellt wird. Der Bericht soll insbesondere die materielle Armut und die soziale Ausgrenzung in der kantonalen Gesellschaft beschreiben und messbare Ziele und entsprechende Indikatoren für die Armutsbekämpfung formulieren. Dies auch mit Berücksichtigung der «Armut vor Sozialtransfers». Im Weiteren sind politische Instrumente zur Verhinderung und Bekämpfung von Armut zu entwickeln, die es ermöglichen, die Wirkungsweise und Effizienz der eingeleiteten Massnahmen zu überprüfen.
(Dieser Text erschien im Links 03/18 der SP Kanton St.Gallen.)