Mit starker Solidarität wird die Welt, wird Europa, die Schweiz und dieser Kanton die zweite Welle der Corona-Pandemie überstehen. Die SP SG ist irritiert über die aktuelle kleinmütige, verwirrende und teilweise kontraproduktive Politik der St.Galler Regierung. Sie hat einen Offenen Brief an die Regierung geschrieben. Hier der Wortlaut.
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident
Sehr geehrte Mitglieder der Regierung
Die Schweiz, Europa und die ganze Welt befinden sich mit der Corona-Pandemie in einer Ausnahmesituation. Die Schweiz hat die Krise zunächst gut bewältigt, wurde nun aber innert weniger Wochen zu einem Corona-Hotspot. Die Fallzahlen kennen nur eine Richtung: nach oben. In den Spitälern und insbesondere auf den Intensivstationen steigt die Bettenbelegung rasant an.
Nachdem der Bund die ausserordentliche Lage beendet hatte, waren die Kantone in der Verantwortung, die notwendigen Massnahmen zu treffen. Die Regierung hat mit Massnahmen nur sehr zögerlich reagiert, um sich dann, als der Bund wegen der stark ansteigenden Fallzahlen neue Vorgaben gemacht hat, darüber öffentlich zu empören und medial begleitet Vorwürfe zu erheben. Es liegt auf der Hand: Die Krise können wir dann bewältigen, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Bund, Kantone, Gemeinden und die Bevölkerung gemeinsam. Es ist definitiv nicht der Zeitpunkt für Machtspiele zwischen Kanton und Bund. Ebenso ist es nicht opportun, die Verunsicherung in der Bevölkerung weiter zu verstärken, anstatt Stabilität und Einigkeit zu signalisieren.
Liest und hört man die Stellungnahmen der St.Galler Regierung und insbesondere des Gesundheitschefs in den Medien, so gewinnt man den Eindruck, dass die finanzielle Perspektive stark im Vordergrund steht und dass die Erhaltung des finanziellen Polsters des Kantons Priorität hat. Möglichst keine Einschränkungen dürfen angeordnet werden und wenn doch, dann soll der Bund über die Ausrufung der besonderen Lage diese verantworten, um auch finanziell für entstandene Ausfälle der Wirtschaft leistungspflichtig zu werden. Wir möchten Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Regierung, eindringlich bitten: Gehen wir gemeinsam und solidarisch durch diese Krise.
Noch am vergangenen Mittwoch, 26. Oktober, hat der Gesundheitschef in der Sendung Schweiz Aktuell des Schweizer Fernsehens erklärt, die Situation aller Kantonen sei je unterschiedlich. Zwar seien die Fallzahlen auch im Kanton St.Gallen angestiegen, jedoch habe man relativ wenig Hospitalisationen. Gestern wurde bekannt, dass im Spital Grabs die Intensivstation voll ist. Heute wurde wiederum öffentlich, dass das Gesundheitspersonal in den Spitälern arbeiten muss, selbst wenn es sich eigentlich in Quarantäne setzen müsste. Dies muss der Gesundheitschef am 26. Oktober bereits gewusst haben, die entsprechende Information wurde den Angestellten am vergangenen Dienstag zugeleitet. Mehr Fälle führen zeitverzögert bei diesem Virus zu mehr Hospitalisationen, da gibt es keine Unterschiede zwischen den Kantonen. Es braucht nun für alle Kantone gleichermassen geltende Massnahmen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und einen Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern. Wir sind in der Verantwortung, auch gegenüber dem Gesundheitspersonal in den Spitälern und gegenüber den freipraktizierenden Ärztinnen und Ärzten. Es ist nicht Zeit für Verunsicherung durch ein unnötiges Machtspielchen. Es geht um zu viel.
Die Massnahmen und das von der Bevölkerung erwartete Verhalten führen zu erheblichen Ausfällen, insbesondere in der Gastrobranche, im Tourismus und im Kulturbereich und in der gesamten davon abhängigen Wertschöpfungskette. Dies darf aber nicht Grund sein, die notwendigen Massnahmen nicht zu treffen – denn die Folgen, ein Kollaps des Gesundheitssystems und eine massive Übersterblichkeit wären für die Bevölkerung und für die Wirtschaft weit fataler. Was es jetzt braucht, ist die klare Bereitschaft auf allen Staatsebenen, die notwendigen Mittel für die Ausfälle bereit zu stellen. Den durch die Massnahmen betroffenen Bürgerinnen und Bürger ist auch deshalb die notwendige Unterstützung zuzusichern, da Existenzängste die Akzeptanz und Befolgung der Anordnungen klarerweise gefährden.
Wir bitten Sie daher, sehr geehrte Damen und Herren der Regierung, den von den Massnahmen betroffenen Unternehmen, Kulturbetrieben und Einzelpersonen möglichst rasch und unbürokratisch Hilfe zu leisten. Gewisse Mittel stehen schon bereit und die Regierung hat auch bereits Hilfe im Kulturbereich zugesichert. Damit sind aber noch viele Ausfälle nicht abgedeckt. Insbesondere die Gastrobetriebe erleiden massive Umsatzeinbussen. Darüber hinaus sind im Gesundheitswesen die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Ein weiteres Zögern erlaubt uns diese Pandemie nicht.
Wir bitten Sie zusammenfassend eindringlich um folgendes:
- Konsequentes Handeln zur Bewältigung der Corona-Pandemie in Zusammenarbeit mit dem Bund
- Klare Kommunikation an die Bevölkerung mit der Botschaft: „Wir gehen gemeinsam und solidarisch durch diese Krise!“
- Konkretes Aufzeigen der Massnahmen, welche zur Vorkehrung einer weiteren Verschlechterung der epidemischen Lage getroffen werden, und bewusstes Schaffen von Vertrauen in die Behörden und Institutionen
- Rasche und unbürokratische Hilfe für betroffene Betriebe und Einzelpersonen insbesondere gestützt auf Art 12 des Covid-Gesetzes (SR 818.102): „Härtefall-Massnahmen für Unternehmen, die aufgrund der Natur ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit von den Folgen der Corona-Krise besonders betroffen sind“, welcher eine hälftige Mitfinanzierung von Ausfällen durch den Bund auf Antrag eines Kantons vorsieht.
- Rasches Aufzeigen von Möglichkeiten mittelfristiger Unterstützung betroffener Betriebe und Verhinderung einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation, wobei bei Bedarf der Kantonsrat frühzeitig einbezogen werden soll
- Ergreifen von Massnahmen zum Schutz des Gesundheitspersonals und zur Entlastung im Gesundheitswesen
Sehr geehrte Damen und Herren der Regierung. Wir erwarten auf dieses Schreiben keine schriftliche Antwort von Ihnen, sondern ein aktives Handeln für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, des Gesundheitspersonals und der Wirtschaft. Vielen Dank!
Im Namen der SP
Für die Kantonsratsfraktion Für die Kantonalpartei
Bettina Surber, Parteipräsident Max Lemmenmeier, Parteipräsidentin
Monika Simmler, Vizepräsidentin Guido Berlinger-Bolt, Politischer Sekretär der SP SG