Auszüge aus einer Session, die in konzentrierter Stimmung begann und schon fast im Tumult endete.
Die Debatte am Anfang der Session war für mich einmalig. Noch nie war so wenig Lärm im Saal. Das Thema beschäftigte. Wieviel Vorselektion bei der künstlichen Fortpflanzung soll zugelassen werden, wie ist mit menschlichen Embryonen umzugehen? Die Einschätzungen gingen nicht entlang der Parteiengrenzen. JedeR hat dazu eine persönliche Meinung, die mit den eigenen Wertvorstellungen zu tun hat. Für mich gingen die Vorschläge teilweise zu weit und so unterstützte ich die strikteren Regeln des Ständerats. Die Zulassung von sogenannten Retterbabies, also Embryonen, die vor der Einpflanzung in den Mutterleib ausgesucht werden, um später ein krankes Geschwister zu heilen, wurde nicht erlaubt. Ein Kind darf nicht für einen Zweck geboren werden.
Das ist bereits die 2. Familieninitiative in meinem 1. Ratsjahr. Nach der SVP, die letztes Jahr die Frauen zurück an den Herd holen wollte, will diesmal die CVP Familien entlasten, indem die Kinder- und Ausbildungszulagen nicht mehr steuerpflichtig sein sollen. Das tönt gut. Der Steuerausfall von 200 Millionen Fr. beim Bund und fast 800 Millionen bei den Kantonen kommt aber wegen der Progression hauptsächlich Familien mit hohen Einkommen zugute. Auf Bundesebene zahlen bereits heute die Hälfte der Familien mit Kindern keine Steuern, haben also nichts davon. Steuerausfälle führen aber zu Sparpaketen und das trifft dann die Familien besonders, so etwa durch Erhöhung von Gebühren und Tarifen bei Schulen, Musikunterricht, Krippen, ÖV, Krankenkassenprämien, etc.. Entlastungen für Familien müssen deshalb so gestaltet werden, dass alle profitieren, z.B. Kinderabzüge durch Kindergutschriften ersetzen. Die SP hat bereits solche Modelle ausgearbeitet. Die Initiative wurde nur von der CVP und einigen SVPlern unterstützt.
Diese Initiative hatte keine Chance im Rat. Alle Voten waren ablehnend. Die Verknüpfung von Besorgnis über den Ressourcenverschleiss, die Zuwanderung in die Schweiz und die Geburtenkontrolle in Entwicklungsländern fand keine Unterstützung. Das Resultat der Schlussabstimmung war dann auch deutlich: 190 ja zu 3 nein und 5 Enthaltungen.
Dieser Folklore-Initiative ging es nicht besser als der vorherigen. Selbst in der SVP lichteten sich die Reihen. Die von Lukas Reimann angeführte Initiative wurde in der Schlussabstimmung nur von 22 SVPlern unterstützt.
Das Thema „mehr Transparenz bei Rohstoffgeschäften“ war im und neben dem Rat präsent. Drei Veranstaltungen fanden neben dem Ratsbetrieb statt, so luden Glencore, dann die Vereinigung der Genfer Rohstoffhändler und Alliance Süd zusammen mit DEZA und Glencore zu Diskussionen ein. Ich ging zu den Genfern und zu Alliance Süd. Die Schweiz ist weltweit einer der bedeutendsten Handelsplätze für Rohstoffe. Die Rohstoffbranche sieht natürlich keinen Handlungsbedarf. Das steht aber im krassen Widerspruch zu den NGOs und auch dem Bundesrat, der in Kürze die nächsten Regulationsschritte vorstellen wird. Für uns ist klar: es braucht mehr Transparenz bei den Finanzflüssen zwischen Rohstofffirmen und den Rohstoffländern, und zwar nicht nur beim Abbau, sondern auch beim Handel. Im Herbst geht das Thema weiter, nicht zuletzt wegen der Motion von Hilde Fässler, die ich übernommen habe, sondern weil auch der Bundesrat weitere Berichte vorlegen will.
Eine Gruppe der OECD, die GAFI, setzt Standards zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung fest. Die Schweiz hat da starken Nachholbedarf. Wichtig ist beispielsweise, dass schwere Steuerdelikte zur Vortat der Geldwäscherei werden oder dass für mehr Transparenz bei Gesellschaften und Stiftungen gesorgt wird. Damit ein solches Gesetz etwas bringt, braucht es starke Zähne. Der Vorschlag des Bundesrats, getragen auch vom Ständerat, war bereits nicht eben ein Pferdegebiss. Die vorberatende Rechtskommission des Nationalrats zog der Vorlage dann aber sämtliche Zähne. Trotzdem wollte die SVP nicht einmal in die Diskussion eintreten – unnötig sei dieses Gesetz. Die 1. Beratung im Nationalrat endete für uns sehr unbefriedigend. In zentralen Punkten folgte die Mitte-Rechts-Seite den Anträgen der Vorbereitenden Kommission. Damit wird in Kauf genommen, dass die Schweiz auf einer schwarzen Liste landet. Jetzt bleibt einmal mehr nur die Hoffnung auf den Ständerat.
Grundsätzlich sollen die Kinder unverheirateter Eltern beim Unterhalt die gleichen Rechte haben wie jene verheirateter Eltern. Die SVP lehnte dies ab und verlangte sogar noch, dass nach einer Trennung/Scheidung beide Elternteile im gleichen Umfang für die Kinder aufkommen müssen. Ich erinnere an die Familieninitiative der SVP: Die Mütter sollten dank Steuerabzügen zurück an den Herd geholt werden. Neu sollen sie aber nach einer Trennung sofort 50% an den Kinderunterhalt beisteuern. So sieht die SVP-Familienrealität aus. Damit standen sie aber alleine. Leider ist es uns nicht gelungen, die Lasten eines Sozialhilfebezugs auf beide Elternteile zu verteilen, sondern diese bleiben beim betreuenden Elternteil hängen, und dies ist meist die Mutter.
Das Trauerspiel zu dieser Vorlage ging bis zur Schlussabstimmung. Die ursprüngliche Vorlage des Bundesrats nahm für sich in Anspruch, mit einigen Verbesserungen und einigen Verschärfungen mehrheitsfähig zu werden. Der Ständerat unterstützte die Vorlage des Bundesrats ziemlich überall, der Nationalrat hingegen wollte zusätzliche Verschärfungen. Das Geschäft passierte jeden Rat 3x und erst die Einigungskonferenz brachte eine mehrheitsfähige Kompromisslösung. Eine Verschlechterung ist, dass als Einbürgerungsvoraussetzung eine C-Bewilligung vorliegen muss. Nach wie vor gibt es aber keinen Rechtsanspruch auf eine C-Bewilligung. Dafür reduziert sich die Mindestaufenthaltsdauer von 12 auf 10 Jahre (BR und SR für 8 Jahre). Umstritten waren zudem die doppelte Anrechnung für Jugendliche (bleibt), die kantonale Aufenthaltsdauer, die Anrechnung der Aufenthaltszeit im Status der Vorläufigen Aufnahme (nur noch ½ anrechenbar) sowie die Sprachkenntnisse (Wort und Schrift). Immer waren der SR und die rot/grüne Minderheit im NR der milderen Form des Bundesrats gefolgt. Vor der Schlussabstimmung meinte die CVP: wir stehen hinter dem Gesetz, unsere Punkte sind voll und ganz enthalten. Für den roten Pass muss es künftig eine Gegenleistung geben, nämlich eigenständige Integrationsbemühungen. Das Urteil der SVP: die Vorlage wurde noch verschärft, jetzt könne sie zustimmen. Und für uns stand fest: Diese mutlose Vorlage zur Einbürgerung lehnen wir ab. Dies taten dann auch die Grünen, alle anderen nahmen sie an.
Geht bachab: Die beiden Motionen von Jacqueline Badran, die das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (Lex Koller) verschärfen sollten und die von Bundesrat und Nationalrat diskussionslos akzeptiert wurden, sind im Ständerat gescheitert. Das ist bitter: Mit diesen Motionen wären betrieblich genutzte Immobilien wieder unter die Bewilligungspflicht der Lex Koller gefallen. Damit hätte Einiges an Druck im Immobilienmarkt weggenommen werden können.
Immer wieder gehen Abstimmungen denkbar knapp aus. Die Motion von Hansjörg Hassler (CVP), welche eine finanzielle Notlage von Gewaltopfern durch die Schaffung eines nationalen Fonds verhindern wollte, wurde mit 81:82 Stimmen abgelehnt. Leider hatte Hassler nur 2/3 der CVPler hinter sich bringen können, FDP und SVP lehnten geschlossen ab. 36 ParlamentarierInnen fehlten……….
Welches Verkehrsprojekte in der ganzen Schweiz unterstützt, wurde der Kredit 2015 freigegeben. Aus dem Kanton St. Gallen sind 2 Projekte drin: Eines ist im Raum Will, das andere im Raum St. Gallen/Arbon/Rorschach. Es handelt sich dabei vor allem um Projekte zum Langsamverkehr. Bei der Beseitigung von Engpässen im Nationalstrassennetz ist das Projekt der 3. Autobahnröhre in der Stadt St. Gallen und der neue Anschluss am Güterbahnhof St. Gallen in den „generellen Planungskrediten“ enthalten, d.h. diese Projekte sind erst in der Planungsphase und damit betreffen die Investitionskredite sie nicht. Auf meine schriftliche Frage zum Güterbahnhof hat Bundesrätin Doris Leuthard geantwortet: „Weil das Projekt aber noch keinen ausreichenden Projektierungsstand erreicht hat, beantragt der Bundesrat es noch nicht zur definitiven Freigabe.“ Es ist jetzt wichtig, dass die städtische Initiative zur Rettung des Güterbahnhofareals rasch realisiert wird, um dem Bund zu signalisieren, dass diesem Projekt Widerstand entgegen gebracht wird. Den anderen aufgeführten ausführungsreifen Projekten (alle ausserhalb des Kantons) erwuchs kaum Opposition. Die Schlussabstimmung ging mit 131 Ja zu 28 Nein und 29 Enthaltungen (alle SP) durch.
Die EU will mit der so genannten Dublin-III-Verordnung erreichen, dass Asylverfahren schneller und fairer werden. Die Überführung dieser Verordnung in nationales Recht war eines der letzten Geschäfte der Session. Die SP war für Eintreten, weil die Vorlage kleine Verbesserungen bei Fristen und rechtlichem Schutz sowie für unbegleitete Kinder bringt. Wir haben aber verschiedene Anträge gestellt, damit zusätzliche schärfere Regelungen (die heute bereits im Gesetz enthalten sind, die aber nach der Dublin-lll-Verordnung nicht zwingend sind) gestrichen werden. Die Eintrittsdebatte verlief tumultartig. Die SVP nutzte die Plattform, Tiraden gegen Asylsuchende niederzulassen und der Ratspräsident war nicht im Stande, dies unter Kontrolle zu bringen. Nach der Eintretensabstimmung (134 Ja zu 50 Nein) wurde die Diskussion unterbrochen, weil Simonetta Sommaruga einen (angekündigten) wichtigen Termin wahrnehmen musste. Jetzt geht’s im September weiter mit der Detailberatung.
Bevor es jetzt bald ab in die Sommerferien geht, stehen noch Kommissionssitzungen an. In der Kommission für Aussenpolitik werden wir uns unter anderem der Europapolitik, die Ukraine, die Organisation des Schweizerischen Aussennetzes und verschiedene Berichte an. In der Umwelt und Energiekommission, wo ich nächste Woche als Ersatz Einsitz nehme, geht es um die Umsetzung der Energiestrategie.