Das Geschäft mit Flüchtlingen

St.Galler Gemeinden bunkern auf fragwürdige Weise über 6 Millionen Franken an Asylgelder, die sie vom Bund für die Betreuung von Asylsuchenden erhalten

Der Bund zahlt Pauschalbeträge für die Nothilfe bei abgewiesenen Asylbewerbern. Im Kanton St.Gallen haben die Gemeinden diese Gelder aber nicht alle ausbezahlt, sondern vielmehr gehortet. Mittlerweile hat sich ein Stock von mehr als 6 Mio. Franken gebildet. Diese «Reserven» liegen bei der Vereinigung der St.Galler GemeindepräsidentInnen (VSGP). Diese Vereinigung ist nicht, wie man annehmen könnte, eine staatliche Institution, sondern ein Verband, der keiner Kontrolle untersteht.

Was passiert mit dem Geld?

Die beiden Kantonsrätinnen der SP-Grüne- Fraktion Susanne Hoare und Bettina Surber haben letzten November eine Interpellation mit dem Titel «Hohe Reserven aus Nothilfegeldern» eingereicht. Der Antwort der Regierung ist zu entnehmen, dass der Überschuss vollumfänglich den Gemeinden bzw. der VSGP zugute kommt. In deren Bilanz steht ein Betrag von 6,3 Mio. Franken. Für die Regierung ist dies nicht zu beanstanden: «Dass die VSGP zugunsten der Gemeinden über eine gewisse Reserve aus Nothilfepauschalen verfügt, ist zweckmässig und notwendig. Aktuell besteht eine Reserve, die den Aufwand der Gemeinden für das Asylwesen ein Quartal zu decken vermöchte.»

Die Regierung verschweigt aber, dass diese Gelder nicht plötzlich entstanden sind, sondern dass sie sich über die letzten fünf Jahre sukzessive aufgehäuft haben. Das heisst: Die Gemeinden haben einen Teil der Beiträge systematisch gebunkert statt für Asylzwecke ausgegeben. Letztes Jahr gingen zum Beispiel vom Bund 23 Mio. für den Asylaufwand an den VSGP. Sind derart hohe «Reserven» gerechtfertigt? Die Regierung schreibt: «In Einzelfällen können hohe medizinische Kosten anfallen.» Doch das ist kein plausibles Argument. Auch Nothilfe-BezügerInnen unterstehen in der Schweiz dem Krankenkassenobligatorium. Wo sollen da noch hohe Kosten entstehen ausser für Prämien?

Fragen bleiben offen

Die Antwort der Regierung lässt einige Fragen offen. Die merkwürdige Rolle der VSGP muss somit weiterhin kritisch beobachtet werden. Die Vereinigung operiert in einem Raum ohne Kontrolle. Der Kanton hat keine Handhabung, ihre Tätigkeit zu überwachen. Wird ein Asylsuchender von einem Bundeszentrum dem Kanton St.Gallen zugeteilt, kommt er in eines der vier Zentren, die der Kanton betreibt. Nach ungefähr sechs Monaten wird er einer politischen Gemeinde zugeteilt. Für diese Zuteilung ist die Koordinationsstelle Migrationsfragen zuständig, geschaffen von der VSGP. Nachdem die Zahl der Asylsuchenden 2011 gestiegen ist, betreibt der VSGP auch Gruppenunterkünfte, wie Girlen in Ebnat-Kappel (bis April 2014) oder Seeben in Nesslau.

Dass private, profitorientierte Firmen mit der Asylbetreuung Geld verdienen, ist bekannt. Vor allem die Zürcher Betreuungsfirma ORS AG hat es in den letzten Jahren zu unrühmlicher Bekanntheit gebracht. Sie erwirtschaftet weit über 50 Mio. Franken Umsatz pro Jahr. Damit sich das Geschäft mit der Notlage von Flüchtlingen für die gewinnorientierte Aktiengesellschaft lohnt, müssen die Betreuungsfirmen Abstriche bei der professionellen Betreuung machen.

Das ehemalige Berggasthaus Girlen oberhalb von Ebnat-Kappel liegt in totaler Abgeschiedenheit. Der nächste Bahnhof, der nächste Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln liegt 7 km weit weg. Diese Unterkunft führte im Auftrag der Koordinationsstelle bis April 2014 die private Asylbetreuungsservice AG (ABS AG). Dort warteten abgewiesene Asylbewerber auf ihre Abschiebung. Ohne Beschäftigung, ohne Deutschunterricht, in Einzelfällen jahrelang. Es wäre dasselbe, würde man einen Schweizer Flüchtling, der nach Afrika geflüchtet ist, in die Wüste schicken würde, ohne Kontakt zur Aussenwelt und zum Nichtstun verdammt.

Unter einem schlechten Stern

Schon der Testbetrieb anfangs 2012 stand unter einem schlechten Stern: BesucherInnen wurden nicht zugelassen, BewohnerInnen die Pässe abgenommen, der Umgang war schlecht. Was dazu führte, dass der Heimleiter ausgewechselt wurde. Das Kuriose daran: Er musste Girlen zwar verlassen, wurde aber innerhalb der Betreuungsfirma befördert!

Auch St.Galler Gemeinden wie Rapperswil-Jona, St.Margrethen oder Widnau haben ihre Asylbetreuung an die ABS AG ausgelagert. Aufgaben, die früher noch von Hilfswerken oder der Gemeinde selber übernommen wurden, tätigen mittlerweile private Unternehmen. Die Privatisierung der Asylbetreuung ist ein Trend, der äusserst problematisch ist. Um Missstände zu verhindern, muss der Kanton mehr kontrollieren. Auch die VSGP. Es muss garantiert sein, dass mit diesen Geldern kein Schindluder getrieben wird. Und noch weniger mit Flüchtlingen.

Daniel Hungerbühler

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