Im Kanton St.Gallen foutiert sich die Rechte um den Volkswillen. Sie ignoriert die Entscheide der Bevölkerung in der Raumplanung. Nationalrätin Claudia Friedl analysiert.
Die Zahl der Bauten ausserhalb der Bauzone nimmt kontinuierlich zu – oft in landschaftlich wertvollen Gebieten. Zum Teil entstehen sie legal, als Erweiterung von landwirtschaftlichen Betrieben, z. B. Aussiedelungen, neue Ställe, Scheunen, Verarbeitungshallen. Nicht mehr gebrauchte Gebäude jedoch verschwinden eigentlich nie, sie werden umgenutzt. Dass bei Bauten ausserhalb der Bauzone nicht alles erlaubt ist und sich die Bauten in die Landschaft einzugliedern haben, ist eigentlich akzeptiert und so auch im Gesetz verankert. Die typischen Landschaften sollen nicht von einem kommunen «Hüslibrei» überzogen werden.
Kein Überblick
Trotzdem gibt es zahlreiche Häuser, Ställe und Anlagen, die illegal umgebaut, ausgebautoder erweitert wurden. Darüber hat «links» schon früher berichtet. Auch darüber, dass Verfügungen und Gerichtsurteile in den Gemeinden teilweise nicht umgesetzt werden. Die parlamentarischen Vorstösse im Kantonsrat von mir und Ruedi Blumer haben etwas Bewegung in die Sache gebracht. Es zeigte sich, dass das kantonale Baudepartement selbst wenig Überblick über die Situation hat, obwohl es die Verantwortung trägt: Sprach die Regierung zuerst von fünf Fällen, musste sie auf Intervention der Umweltverbände die Zahl deutlich nach oben korrigieren. Nicht nur, dass einige Gemeinden den Vollzug lasch umsetzen. Auch sitzen im Kantonsrat genügend «Freunde», die ein wirkungsvolles
Mittel kennen: In den zuständigen Dienststellen werden die Stellen gekürzt, im Baudepartement ein andauernd eingesetztes Druckmittel. So bleibt es an den Umweltverbänden, wenigstens den gravierendsten Fällen nachzugehen und Anzeige zu erstatten. Keine Aufgabe, mit der man sich Lorbeeren holt. Will man den Rechtsstaat aber hochhalten und die Landschaft vor der weiteren Zersiedelung schützen, braucht es diesen Einsatz. Das Ganze ist nicht nur ein St. Galler Problem. Deshalb habe ich im Nationalrat einen Bericht verlangt, der die Vollzugsdefizite und mögliche Hilfestellungen aufzeigen soll. Das Seilziehen um den Schutz der Landschaften und des Bodens geht aber weiter. Im Jahr 2013 hat die Schweizer Bevölkerung mit deutlichem Mehr (im Kanton St.Gallen mit 64 % Ja-Stimmen) und gegen Economiesuisse, Hauseigentümerverband, FDP und SVP die Revision des Raumplanungsgesetzes angenommen. Wichtiges Anliegen: Die Zersiedelung und der Verlust von ökologischen Flächen und Kulturland sollen eingedämmt werden. Es sollen für die künftige Entwicklung vor allem innere Ressourcen genutzt werden. Die Kantone müssen den Bedarf an Bauland im Richtplan festlegen.
5 Mio. Quadratmeter mehr?
Die St.Galler Regierung ist dabei von einem Wachstumsszenario «Mittel+» ausgegangen. Auf Antrag der Baulobby und gegen den Widerstand der VertreterInnen von SP, Grünen, GLP und EVP muss die Regierung nun das Baugesetz ändern und voraussichtlich vom Wachstumsszenario «Hoch» ausgehen. Dadurch könnten nochmals fünf Millionen Quadratmeter neues Bauland geschaffen werden. Das ist in etwa die Grösse des Siedlungsgebietes von Gossau. Die Ziele des Raumplanungsgesetzes werden damit komplett ausgehöhlt. Die bürgerlichen Parteien foutieren sich um den Willen der Bevölkerung und die Versprechungen, die im Vorfeld zur Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative gemacht wurden. In der Raumplanung bleibt einfach vieles ein Lippenbekenntnis. Das muss korrigiert werden.
Claudia Friedl, Nationalrätin