Für ein gerechteres Steuersystem, insbesondere eine Progression bei der Vermögenssteuer, gibt es handfeste ökonomische Gründe. Die Wiedereinführung der Progression bei der Vermögenssteuer hat den Vorteil, dass die unteren Einkommensschichten entlastet werden und es eine Umverteilung gibt. Dies verbessert den sozialen Zusammenhalt. Armut ist auch strukturell bedingt und entsteht u.a. aus der Ungleichverteilung. Von Katrin Glaus, Ökonomin lic.oec. HSG, Nationalratskandidatin
Weiter wirkt sich gemäss jüngsten OECD Studien (2011 und 2012) eine ungleiche Verteilung des Einkommens langfristig spürbar negativ auf das Wirtschaftswachstum aus. Eine Reduktion der Ungleichverteilung zugunsten der unteren und mittleren Einkommen, also der ärmsten 40% aller Haushalte einer Volkswirtschaft, fördert das Wirtschaftswachstum deutlich.
Auch in der Schweiz haben in jüngster Zeit die Ungleichheiten tendenziell zugenommen (Studie von Reto Föllmi und Isabelle Martinez, 2013) und genau das untermauert die BASS Studie: Der Anteil des obersten Prozents am Nationaleinkommen stieg zwischen 1981 und 2009 um 31%, beim reichsten Promille der Bevölkerung betrug die Zunahme im selben Zeitraum sogar 11%.
Wie die BASS Studie aufzeigt, bewegen wir uns auch im Kanton St. Gallen in Richtung von grösserer Ungleichverteilung der Einkommen und insbesondere der Vermögen. Die Entwicklung der Einkommen zwischen 1995/96 bis 2010 zeigt für den Kanton St. Gallen eine klar unterdurchschnittliche Zunahme des durchschnittlichen Äquivalenzreineinkommens und eine Zunahme der Ungleichverteilung der Einkommen um 6%. Das durchschnittliche Vermögen im Kanton St. Gallen (zu konstanten Preisen 2010) von 1991 bis 2010 hat sogar um überdurchschnittliche 94% zugenommen.
Besonders ins Auge sticht aber die Ungleichverteilung der Vermögen: 70% der Steuerpflichtigen vereinen nur gerade 10% des Gesamtvermögens auf sich und die reichsten knapp 5% verfügen über mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens. Allein das reichste Prozent der Steuerpflichtigen mit einem Vermögen von 3 Mio. Franken und mehr verfügt zusammen fast über einen Drittel des Gesamtvermögens (31.6%). Sie vereinen damit deutlich mehr Vermögen als alle Haushalte des „Mittelstandes“ zusammen.
Gerade diese Vermögen profitierten in den letzten 15 Jahren von der Steuergesetzrevision: Im Jahr 2000 schaffte der Kanton St. Gallen den progressiven Steuerstz für Vermögen ab und führte eine flat rate ein. Der heute geltende Einheitssatz wurde in der Folge sogar noch 2x gesenkt. Das verzerrt das Steuersystem und macht es ungerecht, werden somit Vermögen, d.h. oft Kapitalerträge nicht nur tiefer besteuert als Arbeitserträge, sondern sogar noch ohne Progression. Der Kanton Zürich geht da einen anderen Weg, bei tieferen Vermögen ist die Besteuerung weniger hoch als im Kanton St. Gallen, dagegen werden hohe bis sehr hohe Vermögen stärker besteuert als im Kanton St. Gallen. Ein faires Steuersystem besteuert Spekulanten mindestens in gleicher Höhe und mit dem gleichen System wie diejenigen, die für ihr Einkommen arbeiten müssen.
Der Kanton St. Gallen braucht diese Steuererträge für öffentliche Investitionen und gesellschaftliche Bedürfnisse, die der Mittelschicht und den Armen helfen, ihre Chance zu verbessern. Menschen mit einem niedrigen sozialen Status weisen meistens einen schlechteren Gesundheitszustand auf, sind kränker und sterben früher als Personen mit einem hohen sozialen Status. Auch die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen hängen in der Schweiz stark von der sozialen Stellung ab.
Dazu passt das Zitat von Joseph Stiglitz, Ökonom und Nobelpreisträger, aus seinem Buch ‚Preis der Ungleichheit’: Ein ehemaliger skandinavischer Finanzministers sagte, ’Wir sind deshalb so schnell gewachsen und stehen deshalb so gut da, weil wir hohe Steuern haben.’ Natürlich meinte der Finanzminister nicht, dass die Steuern selbst zu höherem Wachstum führen, sondern dass sich damit öffentliche Ausgaben – Investitionen in Bildung, Technologie und Infrastruktur finanzieren lassen, die wiederum das hohe Wachstum stützen.
Katrin Glaus, Ökonomin lic.oec. HSG, Nationalratskandidatin