Reisebericht aus Diyarbakir – Solidarität mit den KurdInnen

Das Ziel unserer Reise war Eindrücke und Fakten zu sammeln, wie der Zustand in den türkischen Kurdengebieten ist, also was sich da wirklich abspielt. Dazu wollten wir Augenschein vor Ort nehmen und mit möglichst vielen Leuten aus Politik und der Zivilgesellschaft in Kontakt kommen. Das ist uns gelungen. Was wir gehört haben ist erschreckend. Viele ähnliche Aussagen haben wir immer und immer wieder gehört.Von Claudia Friedl, Nationalrätin

Die Oberbürgermeisterin und der Oberbürgermeister des Distrikts Diyarbakir – in den Kurdengebieten sind es immer Co-Präsidien aus Mann und Frau – schilderten uns eindrücklich, wie es keine Kommunikation zwischen den staatlichen Behörden gibt. Auf das Angebot, Differenzen und Probleme im Dialog zu lösen, wird nicht eingegangen. Die türkischen Behörden haben eine andere Idee von Staatsführung und Gesellschaft. Die Verweigerung von Dialog und enorme Repressionen werden als systematische Zerstörung der kurdischen Kultur und der pluralistischen Gesellschaft wahrgenommen. Ein Beleg dafür, den wir mit eigenen Augen besichtigen konnten, ist die schreckliche Zerstörung von Sur, der Innenstadt von Diyarbakir, wo vor kurzem noch 55‘000 Menschen lebten.

Sur wird zerstört

Wir sahen die Betonverschläge der abgeriegelten Quartiere, in die nicht einmal mehr die Stadtregierung Zutritt hat und hinter denen nur die Bulldozer zu hören sind. Wir sahen vom Dach eines zerstörten Hauses, welches ein alter Mann extra für uns geöffnet hatte, in das gesperrte Gebiet hinein und sahen die Lücken die bereits ins Quartier gerissen worden sind. Die Fakten belegen es: Gemäss Satellitenaufnahmen sind bereits 1258 Häuser und Kulturdenkmäler zerstört worden.

Wir gingen durch die kaum noch bevölkerten, engen Gassen von Quartieren, die wieder geöffnet sind, vorbei an Fassaden und Rollläden mit Einschusslöchern, die durch Salven, frontal und aus nächster Nähe abgefeuert, entstanden waren – nicht von Terroreinheiten, sondern von den Spezialeinheiten des obersten Sicherheitsrats aus Ankara. Wir trafen Menschen auf der Strasse, die uns gedankt haben, dass wir hier sind und schauen, was hier geschieht.

Demokratische Gesellschaft passt den staatlichen Behörden nicht

Es wird auf allen Ebenen gegen die kurdische Regionalverwaltungen vorgegangen. Gerade jetzt wurde die Zuteilung der Steuern gekürzt, damit die Kommunen ihre Leistungen nicht mehr erbringen können und damit die Wählerschaft verärgert werden soll. Seit dem 3. August 2015 wurden in den Kurdengebieten 21 demokratisch gewählte BürgermeisterInnen verhaftet, 31 des Amts enthoben. Alle werden ersetzt durch regierungstreue Statthalter. Die Zahlen liegen der Anwaltskammer vor. Repression gibt es auch gegen die nationalen Abgeordneten: gegen 51 ParlamentarierInnen der kurdischnahen Partei HDP wurde die Immunität aufgehoben. Eine dieser Abgeordneten erklärte uns, dass sie eben die Anklageschrift bekommen habe, sie wurde in elf Punkten angeklagt. Wie geht man mit so etwas um? Mit Stolz und der Überzeugung, das Richtige zu tun und sich nicht unterkriegen zu lassen. Aber sie bitten um Solidarität aus Europa. Sie hoffen, dass nicht einfach ganz Europa zusieht, wie hier die Demokratie mit Füssen getreten wird.

Diyarbakir Thema am SP SG-Parteitag am 5. September 

Claudia Friedl arbeitet im Nationalrat in der aussenpolitischen Kommission. Die Delegierten baten sie Ende April am Parteitag zum Thema “Menschen auf der Flucht” um die Teilnahme an der parlamentarischen Reise nach Diyarbakir. Oben ein erster Teil ihrer Eindrücke aus dem türkischen Kurdengebiet.

Die Geschläftsleitung der SP SG setzte einen ausserordentlichen Parteitag auf den 5. September, 19-21 Uhr im Saal der Militärkantine in St.Gallen an. Wir wollen dort die Parolen für die nationalen und die kantonale Abstimmung fassen. Ich freue mich ausserordentlich, dass unsere Nationalrätin Claudia Friedl dann auch den Delegierten ihren Reisebericht aus Diyarbakir schildern wird. Als Hauptrednerin begrüssen wir Jacqueline Badran in St.Gallen. Sie wird zu den Gründen für das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform III, zum neuen Feudalismus und dem aktuellen Klassenkampf von oben sprechen.

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