Einen Reset-Knopf gibt es nicht!

Eine Session, gefüllt mit drei Volksinitiativen und der Wahl eines neuen Bundesrats, aber am meisten zu diskutieren gab wohl das Abstimmungsergebnis zur Altersvorsorge2020. Von Claudia Friedl, SP-Nationalrätin.

Es war eine Wahl ohne Spannung. Ignazio Cassis war der Favorit der FDP und setzte sich bereits im 2. Wahlgang gegen Isabelle Moret und Pierre Maudet durch. Mit Ignazio Cassis kommt das neue Bundesratsmitglied aus dem Kanton Tessin. Das Regionenargument hat sich gegen das Frauenargument durchgesetzt. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass Frauen nur Wahlchancen haben, wenn ein Zweier-Frauen-Ticket vorgelegt wird. Bei der nächsten Vakanz muss diese Grundregel eingefordert werden, sonst bleibt die Frauenvertretung ein reines Lippenbekenntnis.

Für uns in der Aussenpolitischen Kommission bricht nun eine neue Zeit mit einem neuen Bundesrat an. Ich bin überzeugt, es gibt in der Europapolitik keinen Reset-Knopf, sondern es braucht eine kontinuierliche Weiterarbeit. In der Internationalen Zusammenarbeit hoffe ich, dass der neue Bundesrat sich ebenso intensiv für die Entwicklungszusammenarbeit und die Friedenspolitik einsetzen wird, wie sein Vorgänger.

Freihandelsabkommen mit Georgien

Egal um welches Land es sich handelt, die Problematik ist immer etwa die gleiche. Grundsätzlich ist Freihandel für ein Land wie die Schweiz mit einer starken Exportwirtschaft wichtig. Es ist auch ein Instrument, die Armut in Schwellen- und Entwicklungsländern zu reduzieren. Damit jedoch alle davon profitieren können, braucht es Nachhaltigkeitsklauseln. Es darf nicht einfach einen freien Handel, sondern es muss einen fairen Handel geben. Neue Abkommen, wie das mit Georgien, enthalten solche Klauseln, nur fehlt es an der konkreten Umsetzung, Beobachtung und Berichterstattung darüber. Im Namen der SP hatte ich deshalb einen Antrag gestellt, der dies aufnehmen sollte. Der Antrag wurde abgelehnt und die SP hat sich danach bei der Gesamtabstimmung der Stimme enthalten. Wir werden das solange tun, bis diese Forderung drin ist. So haben wir es übrigens auch bei den Nachhaltigkeitsklauseln gemacht. Es lohnt sich, hartnäckig zu sein, auch wenn es manchmal lange dauert.

Volksinitiativen RASA / No-Billag / Fairfood

Die Initiative RASA, Raus aus der Sackgasse, will den Art. 121a zur Masseneinwanderung wieder aus der Verfassung streichen, um die Personenfreizügigkeit mit der EU nicht zu gefährden. Keine Frage, Art. 121a stört in der Verfassung, aber man muss feststellen, dass er bereits EU-verträglich umgesetzt werden konnte. Mit der Umsetzung, welche verlangt, dass das Arbeitskräftepotential gefördert und besser ausgenutzt wird sowie in der Schweiz lebende Arbeitssuchende in Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit einen Vorsprung bei der Bewerbung erhalten, konnten sogar wichtige flankierende Massnahmen gestärkt werden. Da keine Gruppe oder Partei das Referendum dagegen ergriffen hat, ist die Umsetzung akzeptiert. Das Anliegen der Initianten ist damit obsolet. Ich hoffe sehr, dass die Initiative zurückgezogen wird. Die Kräfte für einen Abstimmungskampf möchte ich lieber dann einsetzen, wenn es um die Selbstbestimmungsinitiative oder um weitere Angriffe von Seiten der SVP auf das Völkerrecht geht. Gemeinsam mit vielen SPlerInnen enthielt ich mich bei der Abstimmungsempfehlung der Stimme, welche nun aus einem NEIN zur Initiative besteht.

No-Billag: Lange war auch die RednerInnenliste bei der Initiative zur Abschaffung der Billag. Geschlossen hat sich die SP gegen diese Forderung eingesetzt. Mit der Billag finanzieren wir einen einigermassen unabhängigen Journalismus und dank einer internen Quersubventionierung können Sender oder wenigstens Programme in allen vier Landessprachen und über swissinfo auch internationale Kanäle angeboten werden. Auch 13 private regionale TV-Sender und 22 private Radio-Sender profitieren von Zahlungen aus der Billag. Die Medienlobby aus der SVP und FDP setzen jedoch lieber auf privat finanzierte Medien, dort können sie dann auch gleich diktieren, was vermittelt wird. Die drohende Berlusconisierung der Medienlandschaft ist mir ein Graus. Vernünftigerweise war mit 122:42 die Empfehlung für eine Ablehnung der Initiative deutlich.

Fair-food: Nachdem letzten Sonntag die Ernährungssicherheit mit einem neuen Art. 104a von der Stimmbevölkerung klar angenommen worden ist, hatte es die Fair-food-Initiative schwer. Sie verlangt ebenfalls, dass Nahrungsmittel ökologisch und regional hergestellt werden, verlangt aber zusätzlich, dass die importierten Lebensmittel mindestens den Schweizer Herstellungsstandards entsprechen müssen. Ein intelligenter Gegenvorschlag von Beat Jans, der den ganzen Text entschlackt hätte und sich auf die Importbedingungen konzentriert hätte, bekam ebenso wenig Zustimmung, wie die Initiative selbst. Ich habe beidem zugestimmt. Denn im Bereich Produktion gesunder Nahrungsmittel ist noch viel zu tun.

Natur und Umwelt immer unter Druck

Die Vorstossliste, die partielle Änderungen fast immer zu Ungunsten der Natur und Umwelt vorschlägt, ist nach wie vor lang. So sollen beispielsweise Sägereien ohne Ersatzmassnahmen in den Wald verlegt werden können, d.h. der Wald darf dafür gerodet werden. Damit wird die schleichende Zerstörung von Natur- und Erholungsräumen verschärft (Domat-Ems mit der konkursitären Grosssägerei lässt grüssen). Auf der anderen Seite will es einfach nicht gelingen, Verbesserungen für Natur und Umwelt anzubringen. Der Nationalrat ist erneut gegen ein (sogar nur temporäres) Verbot des Pestizids Glyphosat. Dies obwohl es möglicherweise höchst schädlich für Mensch und Umwelt ist. Die Lobbiesten der Chemiekonzerne haben einmal mehr gewonnen.

0,5% des BNE für Entwicklungszusammenarbeit (EZA)

Wenn euch dieses Thema nicht neu erscheint, dann habt ihr Recht. Schon wieder wird am Budget der EZA gekratzt. Diesmal ist es die Mehrheit der Finanzkommission. Sie will die Zahl von 0.5% des Bruttonationaleinkommens BNE streichen. Diese 0.5% sind ein Richtwert für die Höhe des EZA-Budgets. Inhaltlich gibt es keine Begründung, es geht einfach nur um Einsparungen. In einer langen Frage/Antwort-Runde konnte Bundesrat Burkhalter nochmals seine ganze Leidenschaft für dieses Thema in die Waagschale werfen. Am Schluss konnten wir den Richtwert mit 86:101  knapp retten, wenige FDPler stimmten mit Mitte-Links, sechs CVPler, die wahrscheinlich nein stimmen wollten, enthielten sich der Stimme.

Migration und Asylwesen

Auch die Liste der Verschärfungen im Asyl- und Migrationsbereich ist lang. Glücklicherweise blieb die SVP bei einigen ihrer üblen Vorstösse isoliert und somit in der Minderheit. Mitglieder der FDP und CVP sind jedoch anfällig auf solche Anträge und manchmal kippen dann die Mehrheiten.

Atomwaffenverbot

Der Bundesrat hat im Juli 2017 dem UNO-Vertrag für ein umfassendes Atomwaffenverbot nach einigem hin und her zwar zugestimmt, will es jetzt aber vorerst nicht unterzeichnen – dies die Antwort auf eine schriftliche Frage von mir. Seit dem 20.09.17 ist das Abkommen frei zur Unterschrift, bereits 122 Länder haben es unterzeichnet, die Schweiz nicht. Unverständlich, denn die Schweiz als Nicht-Atomwaffenstaat hat ein riesiges Interesse an einem Verbot und sollte an vorderster Front für das Abkommen kämpfen, damit diese Waffen irgendwann von der Welt verschwinden. Stattdessen will der Bundesrat nun erstmal eine Arbeitsgruppe bilden, die bald mit der Arbeit beginnen soll….

Gesellschaftliches

Der Nationalrat hat aufgrund eines Vorstosses von Susanne Leutenegger Oberholzer beschlossen, die Löhne der Chefs von Bundes- und bundesnahen Betrieben zu deckeln. Noch muss der Ständerat darüber entscheiden, stimmt auch dieser zu, werden die Löhne noch maximal etwa eine Million pro Jahr betragen.

Den Vorstoss von Susanne, den Eigenmietwert und die Abzüge von Hauseigentümern abzuschaffen, lehnte der Nationalrat ab. Vordergründig will man mehr Zeit für das Thema haben. Hintergründig geht es aber darum, die Deutungshoheit weg von der Linken zu nehmen, damit noch genügend Schlupflochspielraum bestehen bleiben kann.

Abgelehnt hat der Nationalrat einen Vorstoss aus der GLP, der die Schaffung einer Elternzeit, welche auch den Vätern 14 Wochen Urlaub gebracht hätte, verlangte. Nur 65 Ratsmitglieder waren dafür, 124 dagegen, darunter die ganze SVP, FDP und CVP, mit Ausnahme von Barbara Schmied-Federer. Dies bestätigt wieder einmal, wie wichtig der CVP die Familie wirklich ist. SP, Grüne und GLP waren dafür, die BDP mehrheitlich dafür. Umso wichtiger wird nun die Vaterschaftsinitiative sein, die wenigstens zwei Wochen Urlaub bringen würde.

Der Nationalrat hat entschieden, dass Hotels günstigere Preise auf ihrer eigenen Internetseite als auf Buchungsplattformen wie booking.com anbieten dürfen. Bestehende Vertragsklauseln, welche das verbieten, sollen gestrichen werden. Dies ist bereits in Österreich, Italien und Frankreich der Fall.

Sicherheitspolitik

Einen totalen Rückschritt machte der Nationalrat beim sicherheitspolitischen Bericht. Dieser wird heute überdepartemental verfasst. Das entspricht einer modernen Haltung, die davon ausgeht, dass Sicherheit aus vielen Facetten entsteht und jeder Konflikt eine Vorgeschichte hat, weshalb auch Prävention sehr wichtig ist. Der Nationalrat befiehlt nun dem Bundesrat, dass dieser Bericht nur noch durch das VBS zu erstellen sei. Sicherheit = Militär! Kein Wunder hat deshalb ein SVPler einen Vorstoss eingereicht, das VBS-Budget auf satte 6.5 Mia. Franken zu erhöhen.

Automatischer Informationsaustausch

Das Parlament ist grundsätzlich für den Automatischen Informationsaustausch, um Steuerdaten auszutauschen. Der Nationalrat stimmte dem AIA mit 39 Ländern zu. Zurückgewiesen wurde jedoch dieser mit Neuseeland und mit Saudi Arabien. Neuseeland wurde abgelehnt, weil noch kein Abkommen zum Rentensystem besteht, und damit schweizerische Altersrenten an die neuseeländischen Renten angerechnet würden, sprich diese gekürzt würden. Das Abkommen mit Saudi Arabien wurde wegen der politischen Lage knapp abgelehnt. Die SP ist grundsätzlich für den Automatischen Informationsaustausch, weil er den Staaten hilft, Steuerhinterziehung zu vermeiden. Zudem bestehen strenge Regeln, unter welchen (politischen) Bedingungen ein Datenaustausch überhaupt stattfinden kann.

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