Die Rede Laura Buchers zur Nomination für den 2. Wahlgang der Regierungsratswahlen vom 19. April.
Während der Nomination zum ersten Wahlgang habe ich zu euch gesagt, dass ich mir wünsche, dass ihr jedes Mal, wenn ihr mit dem Zug durchs Rheintal fährt, an mich, an meine Grosseltern und die harte Arbeit denkt, die sie geleistet hat. Und an unsere gemeinsamen Werte.
In der Zwischenzeit kennt wohl jede und jeder in diesem Raum, vielleicht sogar fast jede und jeder in diesem Kanton, meine Familiengeschichte und meine Nonna.
Und das ist auch gut so. Das hat dazu geführt, dass sich die Menschen mir gegenüber geöffnet haben und mir von sich erzählt haben.
In diesem bisherigen Wahlkampf bin ich unzähligen Menschen begegnet, die dasselbe erlebt haben wie meine Grosseltern und auch meine Mutter: Sie wurden – oder werden immer noch – ausgebeutet, weil sie hart arbeiten und trotzdem der Lohn nicht zum Leben reicht. Weil die Arbeitsbedingungen nahezu unmenschlich sind. Ich habe Menschen getroffen, die wegen ihres Nachnamens oder wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert oder gar tätlich angegriffen werden. Ich habe Frauen getroffen, die während einer meiner Referate eingeschlafen sind, weil sie zu Hause, mit den Kindern, in der Nachbarschaft und bei ihrer Erwerbsarbeit täglich so viel leisten und eigentlich alles viel zu viel ist. Ich habe St.Gallerinnen und St.Galler getroffen, die Angst haben, in Zukunft nur noch von einem Pflegeroboter betreut zu werden – in einem riesengrossen, gesichtslosen Zentrumsspital. Und ich habe Jugendliche getroffen, die nicht verstehen können, dass wir immer noch Fleisch essen, weil sie sich so sehr wünschen, dass sie auf diesem Planeten doch noch eine Zukunft haben.
Jedes Mal, wenn ich mit dem Zug nach einem Anlass zurück ins Rheintal gefahren bin, habe ich an diese Begegnungen und an diese Menschen gedacht.
Diese Begegnungen waren sehr eindrücklich und haben mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig unser aller Einsatz für Chancengleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit ist. Wie wichtig es ist, dass wir Massnahmen finden, um den Anstieg der Krankenkassenprämien zu bremsen und genügend Mittel für die IPV zur Verfügung stellen. Wie wichtig es ist, unsere Löhnen und zu unseren Renten zu schützen, für die Verbesserung zu sorgen, damit harte Arbeit auch ein würdevolles Leben in der Gegenwart und im Alter möglich sind. Wie wichtig es ist, dass die Gleichstellung von Mann und Frau endlich Realität wird, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert wird, dass auch Alleinstehende einen bezahlbaren Kitaplatz finden. Wie wichtig es ist, dass wir uns alle täglich und entschieden gegen Hass, Diskriminierung, Hetze und Gewalt stellen.
Wir haben mit Fredy bereits einen Garanten für Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Solidarität in der Regierung. Das reicht aber nicht – in unserem bürgerlichen Kanton, in dem jetzt Spitäler geschlossen werden sollen, damit die Steuern für ein paar wenige gesenkt werden können. In einem Kanton, indem sogar einzelne Parlamentarier immer noch denken, Frauen gehören an den Herd und Ausländerinnen und Ausländer seien Menschen zweiter Klasse. In einem solchen Kanton braucht es weiterhin mindestens zwei SozialdemokratInnen in der Regierung, die sich für den hart chrampfenden Schichtarbeiter, die übermüdete Alleinerziehende, die geflüchtete Familie und für unser Klima einsetzen.
Ich will in den kommenden Wochen weiterhin den Arbeiterinnen und Arbeiter, den Familien, der Klimastreikenden, den Frauen, den Männer, den Ausländerinnen, den Anders-Liebenden, -Glaubenden und –denkenden gut zuhören, spüren, was sie bewegt und was sie sorgt. Ich möchte ihre Situation sichtbarmachen und ihre Anliegen in die Regierung tragen. Ich will mich in der Regierung für sie und ihre Anliegen stark machen. Ich will, dass alle Menschen im Kanton St.Gallen auf ihre Chancen, auf Solidarität und Gerechtigkeit vertrauen können.