Willensstärke, Mut, Kraft, Ehrgeiz

«Die Gipfelstürmerin», so titelte das St.Galler Tagblatt 2008. In der Tat: Kein Mitglied der Regierung, wie sie sich in dieser Session das letzte Mal präsentiert, kämpfte sich weiter nach oben. Der höchste Berg ihrer Karriere: Der Aconcagua im Grenzgebiet zwischen Chile und Argentinien, knapp 7000 Meter über Meer, bezwungen ohne Hilfsmittel, ohne Sherpas, ohne Sauerstoffflasche. Das ist Heidi Hanselmann. Ihre Leistungen als Bergsteigerin lenken den Blick auf Attribute wie Willensstärke, Mut, Kraft, Ehrgeiz und eine aussergewöhnliche Zähigkeit. Jeder und jede in diesem Saal weiss, dass diese Züge sie auch als Politikerin auszeichnen. Und für diese Züge liebt man sie – oder auch nicht. Die Laudatio auf Heidi Hanselmann von Kantonsratspräsident Daniel Baumgartner.

Heidi Hanselmann ist eine markante Figur. Sie hat dem Kanton St.Gallen 16 Jahre als Regierungsrätin und Gesundheitschefin gedient. Sie ist damit das amtsälteste Mitglied der abtretenden Regierung, sie hatte dreimal das Amt der Regierungspräsidentin inne, so auch jetzt. Und ihr Name ist unmittelbar mit dem Kernthema der aktuellen St.Galler Politik verknüpft – mit den Spitälern und der Gesundheitspolitik. Und damit mit einem der derzeit schwierigsten Themen im Kanton St.Gallen.

«Die Bevölkerung braucht und die Bevölkerung will eine moderne und wohnortnahe Spitalversorgung»: Das war immer ihre Position. Spitäler schliessen, das war für Heidi Hanselmann kein Thema. Die Spitalvorlagen von 2014, wie sie dieser Rat beschlossen hatte und wie sie von den Stimmberechtigten mit grossem Mehr gutgeheissen wurden, tragen unverkennbar ihre Handschrift. «Eine gute Versorgung für alle», das war stets ihr Credo zur Spitalpolitik, die treibende Kraft, von der sie befeuert war. Und wir alle wissen: Wenn Heidi Hanselmann von etwas befeuert ist, dann setzt sie sich mit ihrer ganzen Energie dafür ein.

«Eine gute Versorgung für alle.» Wer genau hinhört, der vernimmt den Grundton ihres Anliegens. Es ging Heidi Hanselmann um Gesundheit, um die Gesundheit der St.Galler Bevölkerung – ganz nach dem Motto: Besser wir investieren präventiv in die Gesundheit, besser wir schauen, dass die Leute gar nicht erst krank werden, dann müssen wir auch keine teuren Spitäler bauen – das ist das eigentliche Motiv ihres Schaffens. «Eine gute Versorgung für alle»: Heidi Hanselmanns Schaffen ist von Sorge getragen, von der Sorge um das Wohl der Menschen. Darin ist ebenfalls zu hören: Der Herzschlag der überzeugten Sozialdemokratin.

Gleichwohl bleibt: Die St.Galler Spitalpolitik steckt in einer tiefen Krise. Heidi Hanselmann hat in ihrer 16-jährigen Amtszeit trotz grosser Widerstände viel, ja sehr viel bewegt. Sie hat die Strukturen im Bereich der psychiatrischen Versorgung neu geordnet. Sie hat die neun St.Galler Spitäler in vier Spitalverbunde zusammengeführt und unter die Leitung eines einzigen Verwaltungsrates gestellt. Zu ihrem Schaffen gehören ein neues Geriatriekonzept, die Verankerung der Palliative Care als vierte Säule der St.Galler Gesundheitsversorgung und diverse Neuerungen in der Prävention, unter anderem das Bündnis gegen Depression oder das Mammographie-Sreening zur Vorbeugung von Brustkrebs bei Frauen. Nicht zu vergessen: Der Joint Medical Master, die St.Galler Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten.

All dies hat sie mit Verve und mit Engagement getan. Heidi Hanselmann ist ausserordentlich lern- und wissbegierig und sie ist in all ihren Geschäften sattelfest. Es ist allgemein bekannt: Ihr Einsatz an Zeit und Energie für diese Kompetenz waren enorm – eigentlich fast selbstlos. Sie braucht scheinbar keinen Schlaf. Freund und Feind wunderten sich: Wie macht sie das?

Wer sie näher kennt, der weiss: Hinter der Schaffenskraft von Heidi Hanselmann, hinter ihrer Willensstärke verbirgt sich eine Persönlichkeit, die aus Pflichtgefühl handelt. Man ordnet sein Leben, man ordnet sein Schaffen einer Pflicht unter. Ihre Energien bezog sie – nebst ihrem Ehrgeiz – aus einer einfachen moralischen Überzeugung: Mache es richtig, mache es ganz, mache es gut. Das schliesst nicht aus, dass sie auch eine gewiefte Taktikerin war, wenn es um das politische Geschäft ging.

Ein ganz besonderes Anliegen war Heidi Hanselmann die Logopädie. Gemäss Tagblatt ist sie eine überzeugende Botschafterin ihres Berufsverbandes. In den Berufsverbänden ist der Anfang unserer gemeinsamen Zusammenarbeit zu finden. Wenn, ja wenn im Jahre 1996 nach der ersten Sitzung jemand zu uns gesagt hätte, Heidi Hanselmann sei dann im Jahre 2020 Regierungspräsidentin und ich im gleichen Jahr Kantonsratspräsident und ich dürfe ihr Wirken mit dieser Laudatio im Kantonsrat würdigen, hätten wir zu diesem Jemand gesagt, in der psychiatrischen Klinik hätte es bestimmt noch ein Zimmer frei und wir hätten jetzt keine Zeit für solche wirren Voraussagungen und sollten weiterarbeiten. Und einige hier im Rat können sich vielleicht noch erinnern, wegen unseres ersten gemeinsamen Projektes wurde in der Novembersession 2002 auf einen Ordnungsantrag vor der Schlussabstimmung die Session abgebrochen. Wie sich die Zeiten ändern können!!

Heidi Hanselmann stellte hohe Ansprüche an sich selbst und an ihre Umgebung. Nicht immer wurde das verstanden. Sie kämpfte in politischen Diskussionen bis zum Schluss – und zuweilen auch darüber hinaus. Es gab Stimmen, die Heidi Hanselmann als beflissen bezeichneten, als verbohrt, man bezeichnete sie öffentlich als «unbelehrbar». Meine verehrten Kantonsrätinnen, meine verehrten Kantonsräte, nicht alles, was in diesem Rat über und zu Heidi Hanselmann gesagt worden ist, lässt sich ohne Weiteres mit der Würde dieses Rates vereinen. Zuweilen liess der Ton den nötigen Respekt vermissen.

Mit Heidi Hanselmann verlässt eine markante, prägende, aber auch polarisierende Figur die Bühne der St.Galler Politik. Sie war eine Magistratin, der gerade als Gesundheitschefin das Wohl der Menschen immer sehr am Herzen lag und die zu den Menschen hinging, in die Spitäler, an die Krankenbetten. Und sie war eine Chefin, die ihren Mitarbeitenden gegenüber immer eine hohe Loyalität zeigte.

Willensstärke, Ehrgeiz, Durchhaltewillen, Kraft. Im Tagblatt hat Heidi Hanselmann kürzlich preisgegeben, dass der Himalaya sie bereits wieder reize. Auch sonst ist nicht anzunehmen, dass die Schaffenskraft sie jetzt einfach verlässt. Es werden neue Berge kommen. Wir alle wissen: Was immer Heidi Hanselmann angehen wird nach ihrer Zeit als Regierungsrätin: Sie wird es ganz machen und sie wird es kompromisslos machen. Grosse Pausen gönnt sie sich nicht. Am 1. Juni übernimmt sie das Präsidium der Paraplegikerstiftung. Mit dem gleichen Datum hat der Bundesrat Heidi Hanselmann zur Präsidentin der eidgenössischen Nationalparkkommission gewählt. Menschen, Berge, Natur und Ökologie sind und bleiben grosse Anliegen von Heidi Hanselmann.

Frau Regierungspräsidentin, liebe Heidi, im Namen des ganzen Kantonsrates spreche ich dir unsern herzlichen Dank aus, wünsche dir in Ihren neuen Tätigkeiten alles Gute und Zufriedenheit und das Wichtigste: bliib xund!

 

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