Die rechts-bürgerliche Mehrheit in der vorberatenden Kommission schickt mit dem XVIII. Nachtrag zum Steuergesetz eine Motion in den Kantonsrat. Mit dieser will sie erreichen, dass die Steuerbefreiung einer gemeinnützigen Organisation aufgehoben wird, wenn sich diese politisch betätigen. Die SP ist besorgt über diese Tendenzen und wird das Ansinnen mit Vehemenz bekämpfen. Solche indirekten Beschneidungen der Meinungsäusserungsfreiheit haben in einem demokratischen Rechtsstaat nichts verloren. Zudem würde die angestrebte Regelung Bundesrecht widersprechen. Von Bettina Surber, SP-Fraktionspräsidentin.
Wie die Staatskanzlei am Mittwoch mitteilte, will die rechtsbürgerliche Mehrheit in der Kommission mit dem XVII. Nachtrag zum Steuergesetz eine Motion in den Kantonsrat schicken. Ziel der Motion: die Aufhebung der Steuerbefreiung von gemeinnützigen juristischen Personen, wenn sich diese politisch betätigen. Das Steueramt des Kantons St.Gallen führt eine Liste mit steuerbefreiten gemeinnützigen Organisationen. Der Eintrag auf der Liste ist freiwillig, diese daher nicht abschliessend. Die aufgelisteten Organisationen verfolgen unterschiedlichste Zwecke. Die Palette der Vereinszwecke ist riesig und mitunter kann der Vereinszweck eine Äusserung zum politischen Geschehen notwendig machen. Dies kann grundsätzlich sein – z.B. im Bereich des Umweltschutzes oder der Menschenrechte. Dies kann aber auch ganz spezifisch sein, weil ein Verein z.B. an einem bestimmten politischen Projekt ein besonderes Interesse hat oder weil ein Vorstandsmitglied für ein politisches Amt kandidiert.
Konzernverantwortungsinitiative als Stein des Anstosses
Der rechtsbürgerlichen Mehrheit im Kantonsrat passt offensichtlich nicht, dass eine gemeinnützige Organisation in einem Abstimmungskampf im Sinne des Vereinszwecks auch einmal die Stimme erhebt. Deshalb wollen sie diese abstrafen. indem sie die Steuerbefreiung aufheben. Das Vorgehen ist allzu durchsichtig: Grund für das Agieren ist der Umstand, dass sich NGO’s für die Konzernverantwortungsinitiative eingesetzt haben.
Die SP verfolgt das Bestreben der rechtsbürgerlichen Kräfte im Kantonsrat mit grosser Sorge, den gemeinnützigen Organisationen über die Einführung der Steuerpflicht einen politischen Maulkorb zu verpassen und so die Meinungsäusserungsfreiheit zu beschneiden.
SP wird sich vehement gegen die Beschneidung der Meinungsäusserungsfreiheit wehren
Darf sich die Frauenzentrale künftig in einer konkreten Abstimmung nicht mehr für die Gleichstellung von Frau und Mann einsetzen? Darf sich der Naturschutzverein nicht mehr für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzen? Darf die Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr nicht mehr für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs einstehen? Darf der Tierschutzverein nicht mehr für den Ausbau des Tierschutzes werben? Die Meinungsäusserungsfreiheit ist ein hohes Gut in einer Demokratie. Es kann nicht sein, dass diese und die Verfolgung des Vereinszwecks über die Einführung der Steuerpflicht beschnitten werden. Die SP wird daher das Ansinnen vehement bekämpfen.
Ansinnen der rechtsbürgerlichen Mehrheit wäre bundesrechtswidrig
Das Ansinnen der rechtsbürgerlichen Mehrheit gar nicht umgesetzt werden: Die Steuerbefreiung für gemeinnützige juristische Personen ist im Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes vorgesehen und die Kantone haben diese zu gewähren. Die von der rechtsbürgerlichen Mehrheit angestrebte Regelung wäre damit bundesrechtswidrig. Der Bundesrat hat sich aufgrund einer Motion von Ständerat Ruedi Noser (20.4162) bereits mit der Frage befasst – und einen Regelungsbedarf verneint. In seiner Antwort hält der Bundesrat fest:
„Die Steuerbefreiung ist zu verneinen, wenn eine Institution politische Ziele verfolgt, nicht aber, wenn für die Erreichung eines gemeinnützigen Zweckes politische Mittel eingesetzt werden. Dabei ist ausschlaggebend, ob der Zweck der betreffenden Organisation vorwiegend in der Willensbildung der Öffentlichkeit liegt oder ob eine mögliche Beeinflussung der Öffentlichkeit bloss eine Konsequenz des verfolgten, im Allgemeininteressen liegenden Zwecks ist. Die materielle oder ideelle Unterstützung von Initiativen oder Referenden steht einer Steuerbefreiung grundsätzlich nicht entgegen. Allerdings darf der politischen Betätigung nicht ein derart zentrales Gewicht zukommen, dass die Organisation gesamthaft betrachtet als politische Organisation erscheint. Wäre dies der Fall, müsste der betroffenen Organisation aufgrund der Verfolgung von Sonderinteressen und aus Gründen der politischen Neutralität des Staates die Steuerbefreiung versagt werden.“
Mit diesen Ausführungen gibt der Bundesrat die geltende Rechtslage wieder. Es ist definiert, wann die Steuerbefreiung dahinfällt, eine abweichende Regelung im Kanton ist unzulässig, die Festschreibung der geltenden Regelung braucht es nicht.
Das Vorhaben der rechtsbürgerlichen Mehrheit im St.Galler Kantonsrat, die Aufhebung der Steuerbefreiung über die bereits geltenden Regelungen des Bundes hinaus auszuweiten, wäre erstens undemokratisch und zweitens bundesrechtswidrig. Die Festschreibung des geltenden Rechts unnötig.