“Für das Wohl der Einzelnen – in Solidarität und Toleranz”

In der Schweizerischen Bundesverfassung steht in der Präambel: „…die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.“ Und in der St. Galler Verfassung steht: „…uns für das Wohl der Einzelnen und der Gemeinschaft in Solidarität und Toleranz einsetzen.” Bundes- und Kantonsverfassung sind die Basis aller Gesetze und müssen für uns leitend sein.

Der Kanton hat ganz klar die Aufgabe zur Sicherstellung einer ausreichenden Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung, die sich am Wohl der Schwachen ausrichtet. Mit «Schwachen» sind im Fall der Gesundheit die Patient*innen und ihre Angehörigen gemeint:  die kranken und chronisch kranken Menschen selber, Verletzte, Gebährende und ältere und greise Menschen und die Besuchenden – in der Realität oftmals selber ältere Menschen. Daneben meinen wir mit «schwachen Personen», aber auch Bewohnende von strukturschwachen Regionen und Randregionen.

St.Galler Regierung und Kantonsrat mit falsche Orientierung  

Regierung und Kantonsrat haben bei ihren Entscheiden, die Spitallandschaft in unserem Kanton umzupflügen diese verfassungsrechtlichen Grundsätze ganz klar verletzt. Sie haben sich in erster Linie an finanziellen Kennzahlen orientiert und die Gesamtsicht aus den Augen verloren. Wirtschaftlich hatte man mit den Leistungskonzentrationen in der Vergangenheit, also schon vor 2014, wichtige Schritte gemacht und die Kostenstruktur verbessert.

Wir kritisieren die unrealistisch hohen EBITDA-Vorgaben von 10%. Sie werden als branchenüblich bezeichnet. Doch bei genauer Betrachtung sieht man, dass diese im schweizweiten Quervergleich kaum je erreicht werden. Zudem hat die Regierung auch mit unrealistischen Annahmen bei der Base Rate operiert. Wenn sich Patient*innen statt im Regionalspital, welches nachweislich über tiefere Base Rates verfügt, im Zentrumsspital St. Gallen behandelt werden, dann werden auch einfachere Eingriffe unnötig verteuert.

Die Wirtschaftlichkeitsvergleiche sind auch schweizweit im Verruf. Das EDI und das BAG haben eine KVV-Änderung gestoppt, die letztes Jahr aufgelegt hatten. Denn der Versuch auf Grund von Benchmarks Tarifkürzungen vorzunehmen, ist massivst umstritten. Der Vorschlag wird nun überarbeitet, weil es so nicht funktioniert.

Unverständlich ist, dass die Erfahrungen des letzten Jahres mit der Covid-Pandemie nicht zu einem Umdenken geführt haben. Hier haben wir erlebt, von wie grosser Bedeutung genügend stationärer Kapazitäten ist und auch, dass die dezentrale Verteilung der öffentlichen Spitäler sinnvoll ist.

Aus gesundheitspolitischen Überlegungen ist eine genügende Grundversorgung in allen Regionen unseres Kantons absolut notwendig. Die Schliessung des Spitals gefährdet diese für das weitläufige Toggenburg in krasser Weise. Stationäre Kapazitäten sind für viele Bewohnende gerade aus den weit verstreuten Weilern des mittleren und unteren Toggenburgs und aus der entlegenen Streusiedlung im oberen Talabschnitt unseres Kantons nicht genügend rasch erreichbar. Die Region mit ihrer Weitläufigkeit und dezentralen Besiedelung ist als einzige im Kanton nicht über eine Hauptverkehrsachse an ein Spital angebunden.

Die fehlende Spitalinfrastruktur gefährdet zudem auch das Angebot der ambulanten Medizin, weil die Nähe zu einem Spital für Hausärzte von Bedeutung ist.

Service public ist für alle Menschen da – nicht für den Profit einiger weniger

Zu einer ausreichenden Grundversorgung gehört das Spital dazu. Dieser Service Public muss nicht einfach nur rentieren, sondern in erster Linie der Bevölkerung dienen. Alle Regionen unseres Ringkantons müssen Chancen erhalten. Eine ausreichende Gesundheitsgrundversorgung spielt für die Chancen des Toggenburgs in den nächsten Jahren eine zentrale Rolle: Es geht in erster Linie um einen wohnortnahen Zugang zu Medizin und Pflege. Es geht daneben um attraktive Arbeits- und extrem wichtige Ausbildungsplätze, es geht um die Standortattraktivität des Wohnraums Toggenburg. Es geht um Aufträge für die lokale Wirtschaft.

Regierung und Kantonsrat haben es in der Hand mit einer zusätzlichen Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen den Weitererhalt zu garantieren.

Von Barbara Gysi, SP-Nationalrätin

 

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