Klima-Expert*innen warnen, eine Erwärmung um mehr als zwei Grad werde das Leben auf der Erde so stark verändern, dass es mit heute kaum mehr vergleichbar sei. Nebst der Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels müssen wir uns in den kommenden Jahren auch an grundlegende Veränderungen der Umwelt anpassen. Auch der Kanton St.Gallen versucht sich fit zu machen für eine Zukunft mit einer schon jetzt deutlich spürbaren Erderwärmung.
Von Sepp Gähwiler, Kantonsrat Buchs
Der Kantonsrat berät in der Novembersession einen Bericht des Amts für Umwelt, der einen Ausblick ins Jahr 2060 macht: Wie sich das milde Klima von Quinten am Walensee, gerne als Tessin der Ostschweiz bezeichnet, verändern wird, lässt sich nur erahnen. Ebenso wie es dannzumal um die Biodiversität zum Beispiel im Flachland des Fürstenlands steht? Wie verändert sich der Wasserabfluss des Rheins im Jahresverlauf? Wie hoch steigt die Schneefallgrenze? Welchen Einfluss wird das auf den Tourismus am Pizol und im Toggenburg haben? Wie passen wir Innenstädte von Rapperswil, Wil, Buchs und St.Gallen an die steigenden Temperaturen an?
Klima- und Umweltveränderungen bis 2060 sind gewiss, deren Ausprägung besteht aber zu weiten Teilen auf Annahmen und Berechnungen. Allein schon das Stichwort «Wasser» zeigt, wie herausfordernd die Aufgaben sein werden: Einerseits müssen wir die Versorgung mit Trink-, Brauch- und Löschwasser gewährleisten und gleichzeitig den Bestand unserer Ökosysteme garantieren. Die Hochwassersicherheit des Rheins könnte mit einer grosszügigen Aufweitung stark verbessert werden. Es bleibt zu hoffen, dass das derzeit aufgegleiste Projekt «Rhesi» ausreichen wird. Umweltverbände sprechen bei diesem Projekt aber von einer verpassten ökologischen Chance.
Trockenheit der St.Galler Böden
Uns drohen neben Trockenheit und Hochwasser Erdrutsche, Waldbrände und andere Naturgefahren. Der heutige Baumbestand muss an höhere Temperaturen, längere Trockenperioden und stärkeren Schädlingsbefall angepasst werden. Die Landwirtschaft dürfte von steigenden Durchschnittstemperaturen profitieren, solange genügend Wasser vorhanden ist. In heissen Trockenperioden muss im Rheintal die Bewässerung bereits heute koordiniert werden, um genügend Wasser in den Bächen zu belassen. Das Landwirtschaftliche Zentrum legt den Fokus auf temperaturresistente Sorten. Jedoch dürfte auch der Schädlingsbefall zunehmen. Auf dieses Problem müssen die St.Galler Bauern bessere Antworten finden als Pestizid- und Herbizideinsatz.
St.Galler Gebirge im Klimawandel
Den Pizolgletscher mussten wir am 15. September 2019 bereits zu Grabe tragen; die alpine Landschaft um Calanda, Ringelspitz, Churfirsten und Alpstein wird sich ebenfalls stark verändern. Irgendwann reichen auch die geplanten Beschneiungsanlagen nicht mehr aus, um Schneemangel und Temperaturanstieg zu kaschieren. Der Wintertourismus, wie wir ihn heute im Kanton St.Gallen kennen, wird in absehbarer Zukunft nicht mehr möglich sein.
Städte vor dem Hitzestau?
Mit Bepflanzung, Ortsplanung und städtebaulichen Massnahmen können wir der Hitzebelastung in besiedeltem Gebiet vorbeugen und die menschliche Gesundheit schonen . Wir müssen dafür die Bautätigkeit so koordinieren, dass auf lokale (Wind-)Verhältnisse Rücksicht genommen wird. Auch werden wir Parkplätze und Steingärten auf privatem Grund durch Begrünung ersetzen. Noch wichtiger ist es, bestehende Freiflächen nicht mit Autobahnanschlüssen zu verbauen, wie aktuell in St.Gallen vorgesehen. Spätestens mit dem Bericht «Anpassung an den Klimawandel» wird auch im Kanton St.Gallen klar: Wir stehen vor einer riesigen Prüfung.
Dieser Text erscheint im LINKS, 4/2021