Ukraine-Krieg: Einfach so mit Russland weitergeschäften? – Sicher nicht!

In dieser Session wurden wichtige Weichen gestellt beim Klimaschutz und in der Gesundheitspolitik. Weiter bewegte der Krieg in der Ukraine, die daraus entstehende sich verschärfende globale Ernährungskrise und die steigenden Preise für die Bevölkerung. Sessionsrückblick von SP-Nationalrätin Claudia Friedl.

Aussenpolitik

Der Krieg in der Ukraine beschäftigte uns weiterhin. Die SP beantragte eine ausserordentliche Session, um eine wirkungsvollere Sperrung der Vermögenswerte der russischen Oligarchen zu erreichen. Das Anliegen blieb erfolglos, aber es gab die Gelegenheit, über das Verhängen von Sanktionen und den Begriff der Neutralität zu diskutieren. Immerhin fand sich im Nationalrat eine Mehrheit dafür, das Embargogesetz so anzupassen, dass die Schweiz nun auch eigenständig Sanktionen verhängen kann. Die SVP wehrte sich als einzige dagegen und meinte, als neutrales Land sollte die Schweiz überhaupt keine Sanktionen verhängen oder mittragen. Einfach so weitergeschäften ist ihre Devise. Damit war auch die Diskussion über die Neutralität lanciert. Der Bundesrat wird bis im Herbst einen Bericht dazu erarbeiten. Für mich ist klar, der massive Bruch von Völkerrecht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Missachtung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie müssen immer angeprangert werden und haben nichts zu tun mit dem Neutralitätsstatus.

Mit dem Ukrainekrieg verbunden ist auch die dramatische Situation bei der Welternährung. Die Ukraine beliefert viele Länder im Nahen Osten und Afrikas mit Getreide, welches jetzt blockiert ist. Das World Food Programm (WFP) rechnet mit einem Anstieg von 190 auf 300 Millionen vom Hungertod bedrohten Menschen. Eine erschütternde Zahl. In der Aussenpolitischen Kommission hat die SP einen Vorstoss eingereicht, 200 Millionen Franken gegen den Welthunger ausserordentlich ins Budget aufzunehmen. Das Anliegen wurde von den Bürgerlichen blockiert, inklusiv der MittePartei, die Höhe des Betrags sei aus der Luft gegriffen. Das stimmt, aber angesichts der steigenden Weltmarktpreise ist der Betrag wohl kaum zu tief. Natürlich kam von Seiten der SVP der Einwand, dies sei aus den normalen DEZA-Krediten zu begleichen. Das würde aber bedeuten, dass genau dieses Geld fehlen würde, welches eingesetzt wird, um mit langfristigen Projekten Bäuer:innen zu befähigen, die Ernährungssicherheit langfristig zu sichern.

Auch das Thema Europa beschäftigte uns. Es gab keinen grossen Wurf des Bundesrats zu debattieren, wie ja bekannt ist, fehlt ein solcher. Aber über Vorstösse versuchten wir, den Bundesrat, insbesondere Cassis, anzutreiben. Vor allem bei den Schweizer Forschungs-, Bildungs- und Innovationsstandorten herrscht höchste Unruhe. Die Schweiz riskiert, in Rückstand zu geraten. Über die Aussenpolitische Kommission hat die SP eine Motion eingebracht, die verlangt, dass der Bundesrat zielorientiert auf die Kooperationsabkommen Horizon Europe, Digital Europe, iTER, Eurotom und Erasmus+ hinarbeitet, damit die Schweiz als Drittstaat vollwertig daran teilnehmen kann. Als Gegenleistung löst die Schweiz eine dritte Kohäsionszahlung aus. Das entspricht dem 1. Schritt aus der 3-stufigen Europapolitikstrategie der SP. Mit Stichentscheid der Nationalratspräsidentin wurde die Motion mit 93:92:6 angenommen, dagegen waren die gesamte SVP und Verter:innen von FDP und Mitte. Im Ständerat wird sie dann wohl noch einen schwereren Stand haben.

Gesundheit

Die Nachtragskredite gaben viel mehr zu reden, als erwartet. Es ging um die Finanzierung des Covid-Impfstoffes für das kommende Jahr. Die Impfstrategie des Bundesrats sieht vor, von beiden Impfstoffen (Moderne und Pfizer) je 7 Millionen Dosen zu bestellen und zwar deshalb, weil niemand weiss, wie die Pandemie verlaufen wird und man auf der sicheren Seite sein will. Zudem enthalten die bereits verhandelten Verträge den Verweis, dass es jeweils der neueste d.h. der angepassteste Impfstoff sein soll. Die Menge von 2 x 7 Millionen zu einem Preis von 780 Millionen Franken wurde von SVP und Mitte in Frage gestellt. Sie legten fest, dass es auch die Hälfte an Impfdosen tue.  Mit Finanzpolitik wurde nun Gesundheitspolitik gemacht. SVP und Mitte hatten aber im Nationalrat keine Chance. Im Ständerat aber fand sich sofort eine Mehrheit dafür. Das bescherte uns Mitgliedern der Finanzkommission eine Kommissionssitzung um 6.15 Uhr. Die Verhandlungen gingen hin und her und es brauchte die Einigungskonferenz, bei der wie eigentlich immer, der Ständerat gewann.  Der Nationalrat lehnte mit 100:83 und 6 Enthaltungen den gekürzten Betrag zwar ab, aber es war nur ein Signal: Wir stützen die Impfstrategie des Bundesrats. Ob mit den nun notwendigen neuen Verträgen genügend Impfstoff und in bester Qualität (d.h. die neueste Variante) wieder beschafft werden kann, ist nun offen. Denn eines ist klar, die Verträge müssen neu verhandelt werden. Dem ganzen Geschäft hat neben einer allgemeinen Impfskepsis sicher auch die Tatsache geschadet, dass von der ersten Tranche ein Teil der Impfdosen vernichtet werden musste, weil er nicht mehr weitergegeben werden konnte, was oft ein Logistikproblem ist.

Kostenbremse und Prämienentlastung: 2 Initiativen für eine bezahlbare Gesundheitsversorgung
In der 1. Sessionswoche beschäftigten wir uns mit der Kostenbremse-Initiative der Mitte. Eine Initiative, die sich einfach nur am BIP orientiert. Der Bundesrat nahm das Anliegen, im Gesundheitswesen auch bei den Kosten anzusetzen, durch das Einführen von Kosten- und Qualitätszielen in einem indirekten Gegenvorschlag auf. Das Lobbying von Leistungserbringern in der Kommission muss enorm gewesen sein, verschlechterte die Kommission doch den Gegenvorschlag. Im Nationalratsplenum fühlte sich sogar ein bürgerlicher Politiker veranlasst, die Sprecher:innen aufzufordern ihre Interessenbindungen offen darzulegen. Eine parteimässig buntgemischte Minderheit schaffte es im Plenum für einzelne Verbesserungen doch noch eine Mehrheit zu finden. Der Gegenvorschlag wurde so doch noch brauchbar. Er wurde mit 104:74 bei 5 Enthaltungen angenommen, die Initiative mit 156:28 abgelehnt.

In der 3. Sessionswoche war dann unsere Prämienentlastungs-Initiative an der Reihe. Unsere Initiative verlangt, dass die Belastung durch die Krankenkassenprämien 10 Prozent des Haushaltsbudgets nicht übersteigen darf. Heute geht sie je nach Kanton bis 20 Prozent! Gerade in der aktuellen Situation, wo die Preise allgemein steigen, die Teuerung anzieht und die Löhne hinterherhinken, werden die KK-Prämien zu einer noch grösseren Last, gerade auch weil für das nächste Jahr mit einem Anstieg von 5-10 Prozent zu rechnen ist. Mit dem nun erarbeitenen indirekten Gegenvorschlag wird es eine spürbare Entlastung geben. 2.1 Milliarden Franken werden zusätzlich für die individuelle Prämienverbilligung zur Verfügung stehen. Dieser Betrag wird bis jetzt für die KK-Prämien der EL-Bezüger:innen verwendet. Das soll nun gleich wie die normalen EL-Bezüge finanziert werden und nicht mehr aus dem KK-Verbilligungstopf. Die Kantone werden mehr ausgeben müssen. Da wird es denkbar, dass die Einführung des OECD-Mindeststeuersatzes für Unternehmen dafür eingesetzt werden kann. Der Effekt ist gut: den Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen bleibt mehr im Portemonnaie, die Kaufkraft wird gestärkt und das festigt die lokale Wirtschaft. Es ist deshalb immer wieder erstaunlich, dass gerade die SVP solche Vorlagen vehement bekämpft, so auch diese. Aber mit 119:66 und 2 Enthaltungen wurde der Gegenvorschlag deutlich angenommen. Die Initiative wurde von SP und Grünen unterstützt, aber mit 121:67 abgelehnt. Jetzt wird es spannend, was der Ständerat aus der Vorlage macht. Im Herbst gibt es also den 2. Akt.

Klimapolitik

Nach dem Absturz des CO2-Gesetzes letztes Jahr sass der Schock tief. Ein klug zusammengesetztes Gesetz fand keine Mehrheit bei der Bevölkerung, zu viele Angriffspunkte fanden sich. Im Anschluss legte der Bundesrat einen direkten Gegenvorschlag (auf Verfassungsstufe) zur Gletscherinitiative vor. Parallel dazu entwickelte die Umweltkommission unter starker Prägung durch die SP einen indirekten Gegenentwurf auf Gesetzesstufe. Dieser Gegenentwurf wurde auch grundsätzlich von allen Parteien mitgetragen, nicht aber der SVP. Sie beantragte Nichteintreten, scheiterte damit aber kläglich. Einer ihrer Walliser Vertreter meinte in seinem Votum, die Walliser Gletscher gehörten ihnen und dazu hätten wir nichts zu sagen. Man kann die Welt auch einfach sehen. Mit dem Gegenentwurf wird das Netto-null-Ziel bis 2050 im Gesetz festgeschrieben und es werden Zwischenziele definiert. Das ist sehr wichtig, sonst passiert zu lange nichts und am Schluss wird das Ziel verfehlt. Richtwerte werden für die Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie bis 2050 vorgelegt und periodeweise Vorschläge für die Umsetzung gemacht. Damit die Vorlage noch mehr Gewicht erhält, sind erste Massnahmen aufgenommen. So werden jährlich 200 Millionen Bundesgelder 10 Jahre lang für den Ersatz von Heizungsanlagen zur Verfügung gestellt. Auch die Wirtschaft wird für Effizienzsteigerung und Innovation im Energiebereich mit jährlich 200 Millionen unterstützt. Dieses ambitionierte, aber durchaus realistische Gesetz ist im Nationalrat mit 134:56 bei 4 Enthaltungen durchgegangen. Dagegen war nur die SVP. Ich gebe der Vorlage auch im Ständerat gute Chancen, ohne grosse Abstriche durchzukommen. Davon wird dann abhängen, ob die Gletscherinitiative zurückgezogen wird.

Und sonst…..

Neben den Geschäften im Bundeshaus fanden wieder unzählige Veranstaltungen statt. Eindrücklich war die Schilderung von 2 Anwält:innen, die politische Häftlinge in der Türkei betreuen. Die Situation in den Gefängnissen ist immer noch prekär. Die Rechtsstaatlichkeit ist nicht gegeben. Ob dem unkontrollierten Abzug der US-Truppen aus Afghanistan oder dem Ukraine-Krieg treten andere Schauplätze in den Hintergrund. Aber auch ich konzentriere mich derzeit auf den Ukrainekrieg. Anfang Juli werde ich 5 Tage in Birmingham an der Jahresversammlung der OSZE teilnehmen. Es sind mehrere Resolutionen in Vorbereitung, die sich mit verschiedenen Aspekten des Ukrainekriegs befassen: Waffenstillstand einfordern, Humanitäre Hilfe leisten, Flüchtende unterstützen, Menschenhandel bekämpfen, neue Friedensarchitektur für Europa. Es sind viele Texte und viele Worte, aber sie sind wichtig, damit etwas geändert werden kann.

Herzliche Grüsse und eine schöne Sommerpause wünscht euch
Claudia Friedl

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