St.Gallen ist halt ein schwieriger Kanton

Hier die Parteitagsrede von Andrea Scheck, Präsidentin der SP Kanton St.Gallen.

Als JUSO-Neumitglied habe ich ein geflügeltes Wort gelernt: „St.Galle isch halt en schwierige Kanton“. Das sage eben Paul Rechsteiner jeweils, wurde mir erzählt. Damals 18 und aus einer unpolitischen Familie wusste ich noch nicht so ganz, wer das ist – aber seine Analyse schien für mich als überzeugte junge Sozialistin in einem stockbürgerlichen Kanton natürlich sehr treffend.

Schwieriger Kanton

Seither, das ist jetzt doch eine Weile her, durfte ich Paul kennen lernen, und ich habe viel mehr von ihm gelernt. Hängen geblieben ist aus irgendeinem Grund doch dieses Zitat. Vielleicht weil es die JUSOs auch heute noch munter weiterverbreiten – wobei regelmässig jemand fragt, ob Paul das wirklich je so gesagt hat. Oder vielleicht weil es so oft die politische Realität spiegelt, welche wir in diesem Kanton vorfinden.

Wir alle merken oft, wie schwierig St.Gallen sein kann: Die Aktivistin auf der Strasse beim Unterschriftensammeln, die 100mal ein „Nein“ hört – der Gemeinderat, der im Gremium allein mit FDP, Mitte und SVP sitzt – die Kantonsrät*innen, die jetzt in knapp 2 Wochen wieder in der Session sitzen dürfen, wo man ihnen einmal mehr vorschlagen wird, die Steuern zu senken und gleichzeitig nur 1.5 Prozent Teuerungsausgleich für die Mitarbeitenden des Kantons zu zahlen. Bei einer Teuerung die rund doppelt so hoch ist.

Wir alle merken es, wenn wir mit alternativen Ideen gegen die bürgerlichen Mehrheiten antreten und damit 9 mal verlieren – aber beim 10. Mal da gewinnen wir.

Erfolge
Die sozialdemokratischen Siege sind in unserem System selten und es wirkt oft, als wären sie eigentlich nicht vorgesehen. Aber sie passieren. In Bundesbern, wenn wir mit überraschender Unterstützung der Mitte ein Paket von Vorstössen durchbringen, welches Renten verbessert, die Last der Prämien lindert und die Kaufkraft erhöht.

In den kommunalen Gremien – hier ein Gruss an meine Stadt St.Gallen, die im Parlament vor einer Woche dank jahrelangem Engagement und Widerstandsaufbau der SP einen grässlichen Autobahnanschluss mitten in der Stadt versenkt hat.

Und wir gewinnen auch an der Urne. Immerhin ist St.Gallen der Kanton, der schwierige Kanton, der 3 mal einen dezidiert linken, gewerkschaftlichen Genossen gegen alle bürgerlichen Mehrheiten und medialen Prognosen der Medien in den Ständerat gewählt hat.

Hoffnung
Diese Prognosen haben auch für die kommenden Wahlen bereits wieder begonnen – spätestens im nächsten Jahr werden wir davon eingeschneit werden.

Vielleicht habt ihr, wie ich, in den letzten Tagen die US-Midterm-Wahlen verfolgt. Auch dort gab es zahlreiche Prognosen. Denn es ist üblich, dass die Partei, die nicht das Präsidium stellt, bei der Wahl von Repräsentantenhaus und Senat die Mehrheit gewinnt.

So hiess es auch dieses Mal: Die aktuellen ökonomischen Ängste würden die Wähler*innen nach rechts treiben. Die Linken könnten nicht mobilisieren. Die kontroverse Entscheidung des obersten Gerichtshof im Sommer, das Recht auf Abtreibung zu kippen, sei zu lange her und bewege die Leute nicht mehr an die Urnen. In vielen Bundesstaaten kandidierte republikanische Kandidat*innen aus dem Nachwuchscamp von Donald Trump mit katastrophalen, diskriminierenden, erzkonservativen Wahlprogrammen. Gemäss allen Prognosen hätte es eine Wahl werden sollen, welche die Politik im mächtigsten Land der Welt massiv verschlechtert.

Und dann passierte etwas, was nicht vorgesehen war: Der Tsunami wurde zum Rinnsal. Die Prognosen waren falsch: Die Menschen sind an die Urnen, immer noch bewegt von sozialpolitischen Themen. Sie haben aufgepasst, was in der Politik passiert, und es nicht einfach bis zu den Wahlen vergessen. Junge Menschen haben in Rekordzahlen gewählt, vorwiegend links. Die Radikalisierung der rechten Parteien hat jahrelange Unterstützer*innen vergrault.

Eine optimistischere Aussicht auf die kommenden Wahlen im Frühling, im Herbst, im Frühling und dann wieder im Herbst kann es eigentlich gar nicht geben.

Motivation
Liebe Genoss*innen, genau mit dieser Einstellung müssen auch wir hier heute in die Ständeratswahlen starten. Wir haben die besten Voraussetzungen, einmal mehr einen unvorhergesehenen Sieg zu erringen. Aber je länger wir darüber nachgedacht haben, mit je mehr Menschen ich darüber geredet haben, desto sicherer bin ich geworden, dass wir das nicht nur können – sondern schlicht müssen. Und werden!

Es war ein brillanter Schachzug von Paul, zum jetzigen Zeitpunkt zurückzutreten. Sein Vorgehen eröffnet uns als SP die besten Chancen, weiterhin eine soziale und ökologische Stimme in die kleine Kammer nach Bern zu schicken. Dafür danken wir Ihm ganz herzlich. Dieses solidarische Handeln im Sinne der sozialdemokratischen Werte, das die SP stärkt, ist alles andere als selbstverständlich.

Wir sind heute, dank Paul, so bereit wie keine andere Partei, um kraftvoll in diesen Wahlkampf zu starten. Wir haben, dank Barbara, eine so erfahrene Kandidatin wie keine andere Partei in diesem Kanton. Und liebe Genoss*innen, wir können, dank euch, auf so viele engagierte Mitglieder zählen wie keine andere Partei!

Ich blicke darum motiviert in den Frühling. Motiviert von wochenlangen Gesprächen mit St.Galler*innen, die klar gemacht haben, dass es nur Barbara sein kann, die die Wahlen am 12. März gewinnt. Motiviert von den internationalen bis kommunalen Geschehnissen. Und motiviert, weil wir immer wieder beweisen: St. Gallen ist ein schwieriger Kanton. Aber schwierig heisst nicht unmöglich.

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