Nach der Rückweisung der Nachträge zum Polizeigesetz in der Juni-Session legte die Regierung einen verbesserten Entwurf vor. Dieser trägt rechtsstaatlichen Bedenken vermehrt Rechnung. Nach weiteren Verbesserungen durch die Kommission wird die SP das Geschäft nun im Wesentlichen unterstützen. Das Bedrohungsmanagement, das sich insbesondere dem Kampf gegen häusliche Gewalt verschrieben hat, erhält durch die Revision einen klareren Rahmen. Die Präventionsarbeit der Polizei bewegt sich im Spannungsfeld zwischen wirksamer Kriminalitätsbekämpfung und dem Schutz von Grundrechten. Diesem Spannungsfeld wird der neue verbesserte Nachtrag aus Sicht der SP gerecht.
Häusliche Gewalt als Herausforderung
Wie die Vergangenheit zeigte, widmet sich das kantonale Bedrohungsmanagement zu einem wesentlichen Teil der häuslichen Gewalt sowie Drohungen gegen Private und Behörden. Repression und Strafrecht kommen beim Umgang mit solchen Situationen an Grenzen. Es ist deshalb richtig, Gefährdungssituationen proaktiv anzugehen und Opfer zu schützen. Da die präventive Polizeiarbeit jedoch nur an einen vagen Verdacht einer potentiellen Gefährdung anknüpft, ist sie aus rechtlicher Sicht heikel. Die SP begrüsst es deshalb, dass mit der Revision des Polizeigesetzes dieses Bedrohungsmanagement nun einen klareren rechtlichen Rahmen erhält. Die Polizei erhält damit die Instrumente, um häusliche Gewalt in Zukunft wirksam zu bekämpfen und zugleich klare Leitplanken, welche Befugnisse ihr zu diesem Zweck zukommen.
«Ungefährlichkeitsvermutung» – ein Novum in der Polizeiarbeit
Der SP war und ist es ein Anliegen, die Grund- und Freiheitsrechte in diesem Bereich sicherzustellen. So hat sie sich dafür eingesetzt, die polizeilichen Massnahmen – wie die Gefährderansprache oder die Bearbeitung hochsensibler Daten durch die Polizei – an klare Bedingungen zu knüpfen. Der neue Entwurf stellt mit den Änderungen der Kommission sicher, dass nur erhebliche Gefährdungen von Personen Anlass zu derartigen Massnahmen bieten, dass Berufsgeheimnisse nur als ultima ratio gelockert werden und bei der Gefährderansprache Betroffene auf ihre Rechte aufmerksam gemacht werden. Eine Neuerung stellt insbesondere die «Ungefährlichkeitsvermutung» dar. Als polizeirechtliches Pendant zur Unschuldsvermutung hält sie den Grundsatz fest, dass belastende und entlastende Umstände mit gleicher Sorgfalt geprüft werden und grundsätzlich bis zum gegenteiligen Nachweis Personen als ungefährlich gelten. Die SP begrüsst ferner die durch die Kommission weiter verkürzten Löschfristen: Stellt sich heraus, dass Personen nicht oder nicht mehr gefährlich sind, sind die heiklen Daten zu löschen.
Probleme beim interkantonalen polizeilichen Datenaustausch bleiben bestehen
Es besteht politischer Konsens, dass die Defizite beim interkantonalen polizeilichen Datenaustausch angegangen werden müssen. Unter SP-Beteiligung wurde der Regierung ein entsprechender Vorstoss 2022 überwiesen. Da auf Bundesebene im Moment Bestrebungen laufen – einerseits für eine bundesrechtliche Verankerung, andererseits für ein Konkordat – wäre allerdings eine Vertagung des Geschäfts angezeigt gewesen. Es ist fraglich, ob ein St. Galler Alleingang sinnvoll ist. So könnte bald eine erneute Überarbeitung notwendig werden. Die SP wird sich im Moment nicht gegen den Erlass der entsprechenden Bestimmung wehren, behält sich aber vor eine Revision zu beantragen, sobald sich das eidgenössische Vorgehen klärt. Insbesondere bei der Möglichkeit einer «eidgenössischen Gefährderdatenbank» stellen sich viele rechtstaatliche Fragen. Diese sind zu gegebener Zeit erneut zu thematisieren.