Zum Tod von Margit Isliker – Sozialdemokratin, Schulrätin, Hausfrau

Am 6. September ist Margrit Isliker 106 Jahre alt verstorben.

 

Ihr ganzes Leben hat Margrit Isliker in der Stadt St.Gallen verbracht. Hier hat sie die Schulen besucht, ihre Lehre als Telefonistin absolviert, ihre Kinder grossgezogen und sich politisch bei den SP Frauen und als Kassierin der Kantonalpartei engagiert. Lediglich drei Jahre verbrachte sie im Welschland und in Winterthur. Hineingeboren in den ersten Weltkrieg, zwei Jahre vor dem Generalstreik, hat sie bereits als Kind und junge Frau erfahren, was es heisst, mit wenig Geld auszukommen. Doch mochte sie nie klagen.

 

Ihr Vater war Kondukteur gewesen und politisierte für die SP während einer Amtsdauer im Stadtparlament. Später hatte er sich dann in der Gewerkschaft engagiert. Margrit Islikers Mann war für die SP am Bezirksgericht. Sie selber ist erst spät zur SP gekommen. Sie wurde von Susanne Steiner ermuntert, sich bei den SP Frauen zu engagieren. Ende der 60er-Jahre wählten die Genossinnen sie zurPräsidentin. An die monatlichen Treffen wurden oft Referentinnen oder Referenten eingeladen. Aktuelle Themen wurden intensiv diskutiert: Immer wieder natürlich das Frauenstimmrecht, später dann aber auch über die Abtreibungs-Debatte.

 

Margit Isliker war Kassierin der Kantonalpartei, zu jener Zeit, als Florian Schlegel deren Präsident war. Mit ihm hat sie eine lange Freundschaft verbunden. Sie erinnerte sich daran, dass dieses Amt sehr zeitintensiv war. Insbesondere, da einige Sektionen stets mehrmals an ihre Zahlungspflichten erinnert werden mussten. Als 1971 das Frauenstimmrecht eingeführt wurde, feierte sie dieses Ereignis zusammen mit ihrem Mann bei einem feinen Essen im Toggenburg. Bereits im Herbst 1972 wurde sie in den städtischen Schulrat gewählt. Dieses Amt hat sie während zwei Legislaturperioden mit Engagement ausgeführt.

 

Als Margrit Isliker 1940 geheiratet hatte, verlor sie ihre Stelle als Telefonistin bei der PTT. Damals war es verheirateten Frauen nicht gestattet, zu arbeiten. Aus heutiger Sicht scheint dies kaum mehr vorstellbar. Sie hat jedoch nicht damit gehadert, sondern war fortan Hausfrau und hat mit verschiedenen Aushilfsarbeiten das Familieneinkommen aufgebessert: am Montag-Vormittag Totoscheine ausgewertet oder als Aushilfe in ihrem erlernten Beruf als Telefonistin. Sehr gerne hat sie auch für die Volkstimme und später für die AZ Nachrufe über bekannte Genossinnen und eine wöchentliche Kolumne mit Rezepten geschrieben „Tips einer erfahrenen Hausfrau. Margrit Isliker schreibt über Hausmannskost aus ‚Grossmutters Küche’“.

Mit 90 Jahren entschied sich Margrit Isliker, ins Bürgerspital zu ziehen. Ihr soziales Engagement gab sie aber deshalb nicht auf. Sie engagiert sich in der Blätzwerkstatt der Kirchgemeinde St.Fiden. Gemeinsam mit anderen Frauen strickte und häkelte sie Decken, die später als Spenden nach Osteuropa gingen. In den vergangenen Jahren hat Margrit Isliker so über 700 Decken gestrickt.

 

Nun ist Margrit Isliker am 6. September 2022 mit 106 Jahren verstorben. Die Auseinandersetzung mit ihrem Leben gibt einen beeindruckenden Einblick in die sozialen Kämpfe des 20. Jahrhundert, einen Einblick in Lebensrealitäten so fern der heutigen. Und doch tun sich immer wieder Parallelen auf, zum Engagement ganz vieler in unserer Partei: Zum Engagement für mehr Gleichheit der Geschlechter, zum Engagement für soziale Gerechtigkeit. Die Auseinandersetzung mit dem Leben von Margrit Isliker zeigt heute, wie wichtig die Kämpfe ihrer Generation für uns heute Lebenden noch immer ist. Sie führten letztlich zur Einführung der AHV; sie führten zum Frauenstimmrecht, sie fruchteten ins so vielen weiteren Erfolgen der Sozialdemokratie. Die Auseinandersetzung mit dem Leben von Margrit Isliker zeigt ausserdem, dass wir uns in einer langen Tradition für unsere Werte Gleichheit, Solidarität und Freiheit einsetzen. Wir tun es täglich, so wie unzählige Frauen und Männer vor uns. Und diese Kämpfer:innen und Engagierten der Vergangenheit seien für uns zugleich Inspiration und Verpflichtung für die Zukunft.

Peter Olibet/Guido Berlinger-Bolt

 

Die Abschiedsfeier findet im Bürgerspital St.Gallen, Gesellschaftssaal am Donnerstag, 22. September um 14.30 Uhr statt.

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